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BVerfG: Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen eines abgeschlossenen Erbscheinsverfahrens

Quelle: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 70/2024 vom 30.08.2024 – Beschluss vom 13.07.2024 – 1 BvR 1929/23

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsbeschwerde eines Erbprätendenten nicht zur Entscheidung angenommen. Dieser wendet sich gegen gerichtliche Entscheidungen eines abgeschlossenen Erbscheinsverfahrens.

Die Verfassungsbeschwerde wahrt bereits nicht den Grundsatz der Subsidiarität, weil der Beschwerdeführer nicht vorgetragen hat, dass er neben der Durchführung des Erbscheinsverfahrens auch erfolglos eine Erbenfeststellungsklage erhoben hat.

Der Grundsatz der Subsidiarität erfordert, dass ein Beschwerdeführer über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle nach der Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um die Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung durch die Fachgerichte zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern.

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LG Frankenthal: Nicht jede Demenz führt zur Unwirksamkeit eines notariellen Testaments

Quelle: Pressemitteilung des Landgerichts Frankenthal vom 29.08.2024 – Urteil vom 18.07.2024 – 8 O 97/24

Die für erbrechtliche Streitigkeiten zuständige 8. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass auch eine an Demenz erkrankte Person durchaus noch in der Lage sein kann, ein Testament wirksam zu errichten. Nicht jede Demenz führe automatisch zur sogenannten Testierunfähigkeit. Es komme vielmehr darauf an, ob sich die betreffende Person trotz ihrer Erkrankung noch ein klares Urteil über die Tragweite ihrer Anordnungen bilden könne und in der Lage sei, frei von Einflüssen Dritter zu entscheiden. Die Kammer hat insoweit unterschieden zwischen leichtgradiger, mittelschwerer und schwerer Demenz. Befindet sich die Erkrankung noch in einem leichtgradigen Stadium, ist regelmäßig noch nicht von einer Testierunfähigkeit auszugehen, so die Richter.

Geklagt hatte in einem Eilverfahren der Testamentsvollstrecker einer verstorbenen Frau, die keine pflichtteilsberechtigten Angehörigen hatte. Kurz vor ihrem Tod hatte die Neunzigjährige vor einem Notar ein Testament errichtet, mit dem sie dem Sohn einer Freundin ihr wertvolles Anwesen in Ludwigshafen vermachte. Der Notar hatte in der Urkunde schriftlich festgehalten, dass nach seiner Auffassung bei ihr eine unbeschränkte Geschäfts- und Testierfähigkeit besteht. Der Testamentsvollstrecker ist hingegen der Meinung, die Seniorin sei bereits bei der Beurkundung nicht mehr fähig gewesen, frei zu entscheiden. Er legte Arztbriefe vor, aus denen eine „beginnende demenzielle Entwicklung“, eine „demenzielle Entwicklung“ und eine „bekannte Demenz“ der Frau hervorgingen. Mit seinem Eilantrag wollte er verhindern, dass der bedachte Sohn der Freundin das Haus erwirbt.

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OLG München: Nachweis der Eigenhändigkeit eines Testaments

Quelle: Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 12.08.2024 – 33 Wx 294/23

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) München vom 12.08.2024 (Az. 33 Wx 294/23) behandelt die Anforderungen an den Nachweis der Echtheit eines Testaments, insbesondere im Hinblick auf die Eigenhändigkeit (§ 2247 BGB), sowie die Aufteilung der Verfahrenskosten in Erbscheinverfahren.


Kernaussagen der Entscheidung:

1. Keine Vermutung der Urheberschaft:

  • Es gibt keine gesetzliche Vermutung, dass ein Schriftstück mit dem Namenszug des Erblassers tatsächlich von diesem stammt.
  • Die Beurteilung der Echtheit eines Testaments erfordert einen objektiven Nachweis, insbesondere durch ein Sachverständigengutachten, sofern keine anderen belastbaren Beweismittel vorliegen.

2. Nachweis durch Sachverständigengutachten:

  • Die Echtheit des Testaments wurde im vorliegenden Fall durch ein Schriftsachverständigengutachten festgestellt.
  • Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit der Erblasser selbst das Testament eigenhändig geschrieben und unterschrieben hat.

3. Anforderungen an den Beweis:

  • Für den Nachweis der Eigenhändigkeit eines Testaments genügt eine für das praktische Leben brauchbare Gewissheit, die vernünftige Zweifel ausschließt. Absolute Sicherheit ist nicht erforderlich.
  • Das Nachlassgericht hat von Amts wegen (§ 26 FamFG) alle relevanten Tatsachen zu ermitteln, wenn Zweifel an der Echtheit des Testaments bestehen.
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BGH: Notarbeschwerdeverfahren wegen Verweigerung der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses

Quelle: BGH Online, Beschluss vom 19.06.2024 – IV ZB 13/23

Im Zusammenhang mit der Urkundsgewährungspflicht des Notars sind die Anforderungen an die Annahme eines ausreichenden Grundes gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BNotO hoch, wenn es um die Verweigerung der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB geht. Hat der Notar seine Ermittlungspflicht erfüllt und der Erbe in zumutbarem Maß zur Klärung beigetragen, berechtigen verbleibende Unklarheiten den Notar nicht, seine Amtstätigkeit zu verweigern.

Die Beschwerdeführerin, Alleinerbin und Lebensgefährtin des Erblassers, forderte vom Notar die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses, nachdem sie dazu verurteilt worden war. Im Februar 2021 beauftragte sie den Notar mit dieser Aufgabe. Der Notar führte umfangreiche Recherchen durch, darunter Abfragen in elektronischen Grundbüchern und bei zehn Kreditinstituten.

Ein Jahr später lehnte der Notar die Erstellung des Nachlassverzeichnisses ab, da er die hohen Anforderungen der Rechtsprechung nicht erfüllen könne. Er begründete dies damit, dass seine Ermittlungen ausgeschöpft seien und die Erbin, aufgrund ihrer kurzen Lebensgemeinschaft mit dem Erblasser, keine ausreichenden Informationen liefern könne. Außerdem hatte die Erbin viele Dokumente noch nicht gesichtet und konnte keine genauen Angaben zu Schenkungen an die Enkelin des Erblassers machen. Daher sah der Notar die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses als unmöglich an.

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OLG Hamm: Zwischenstreit über das Bestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts (Verweigerung eines Krankenhauses zur Herausgabe von Krankenunterlagen)

Quelle: Oberlandesgericht Hamm – Beschluss vom 13.06.2024 – I 10 W 3/23 (Vorinstanz AG Arnsberg Beschluss vom 16.11.2022 – 11 VI 526/21)

Hintergrund des Falls:

Es geht um die Erbfolge nach der verstorbenen E. H. D. Die Erblasserin hatte zunächst 1998 ihre Schwester (die Antragstellerin) in einem privatschriftlichen Testament zur Alleinerbin eingesetzt. Während eines Krankenhausaufenthalts im Januar 2017 erstellte die Erblasserin jedoch ein weiteres, notarielles Testament, in dem sie die Beteiligten zu 2 bis 4 (ihre Nichte und deren Kinder) als Erben zu je einem Drittel einsetzte. Dieses notarielle Testament wurde auf der Intensivstation erstellt, während die Erblasserin wegen einer schweren Erkrankung (akute nekrotisierende Pankreatitis) behandelt wurde.

Die Antragstellerin bezweifelt die Testierfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt des zweiten Testaments und verlangt die Herausgabe der Krankenunterlagen, um die Gültigkeit des Testaments vom Januar 2017 anzufechten und das ursprüngliche Testament von 1998 wieder geltend zu machen.

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BGH: Ausgleich von Grundrenten-Entgeltpunkten im Versorgungsausgleich

Quelle: Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 12.06.2024 – XII ZB 496/22

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) betrifft den Ausgleich von Grundrenten-Entgeltpunkten im Rahmen des Versorgungsausgleichs. Es wird klargestellt, unter welchen Voraussetzungen diese speziellen Entgeltpunkte (EP) in den Versorgungsausgleich einbezogen werden können und wann von einem Ausgleich abzusehen ist.


Wesentliche Punkte der Entscheidung:

  1. Grundrenten-Entgeltpunkte und Ausgleichsreife (§ 19 VersAusglG):
    • Die Grundrenten-Entgeltpunkte, die langjährig Versicherten zugutekommen (§ 76g SGB VI), stellen ein ausgleichsreifes Anrecht dar. Das bedeutet, dass sie in der Regel in den Versorgungsausgleich einzubeziehen sind.
    • Diese Entgeltpunkte sind nicht verfallbar und dienen der Sicherung im Alter oder bei Invalidität. Sie werden unabhängig von der Höhe der Beitragszahlungen gewährt und sind somit ein eigenständiger Anspruch.
  2. Prüfung der Geringfügigkeit (§ 18 Abs. 2 VersAusglG):
    • In Ausnahmefällen kann jedoch geprüft werden, ob der Ausgleich wegen Geringfügigkeit der zu übertragenden Beträge entfallen sollte.
    • Entscheidend ist hier eine Abwägung zwischen:
      • Wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen der Eheleute: Besteht ein dringendes Bedürfnis auf Seiten eines Ehepartners, können selbst kleine Beträge von Bedeutung sein.
      • Verwaltungsaufwand für den Rentenversicherungsträger: Die Rentenversicherungsträger sind verpflichtet, auch kleinere Beträge zu verwalten, was zusätzlichen Aufwand verursacht. Dies kann gegen die Teilung sprechen.
  3. Verwaltungsaufwand (§ 97a SGB VI):
    • In der Rentenbezugsphase wird geprüft, ob Einkünfte auf die Grundrenten-Entgeltpunkte angerechnet werden müssen. Diese Prüfung ist aufwendig und könnte die Verwaltung belasten.
    • Dieser Aspekt ist ebenfalls in die Entscheidung einzubeziehen.
  4. Rolle der Versorgungsträger und der Eheleute:
    • Wenn die betroffenen Eheleute oder der Versorgungsträger ein geringes Interesse am Ausgleich der Grundrenten-Entgeltpunkte signalisieren, kann dies als Argument gegen den Ausgleich gewertet werden.
    • Umgekehrt kann der Versorgungsträger den Ausgleich explizit befürworten, was für eine Durchführung spricht.
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OLG Zweibrücken: Enterbung durch testamentarische Erbeinsetzung?

Quelle: Beschluss des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 27.05.2024 – 8 W 41/23 (Vorinstanz AG Kusel – Beschluss vom 13.04.2023 – 1 VI 172/22)

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Zweibrücken befasst sich mit der Frage, ob die testamentarische Erbeinsetzung einer dritten Person (hier der Lebensgefährtin des Erblassers) als Ersatzerbin zugleich die Enterbung eines direkten Abkömmlings (hier des Sohnes des Erblassers) darstellt und ob die Enkelin der Lebensgefährtin im Falle ihres Vorversterbens als Ersatzerbin gelten kann. Die wichtigsten Argumente aus der Entscheidung lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Enterbung des Sohnes durch testamentarische Anordnungen

  • Der Erblasser hatte in einem Testament seine Tochter als Alleinerbin eingesetzt und ausdrücklich festgehalten, dass sein Sohn bereits den Pflichtteil nach dem Tod der Mutter erhalten habe. Dieser Hinweis auf den Pflichtteil bezieht sich auf eine in einem früheren Erbvertrag mit der Ehefrau (Mutter der Kinder) getroffene Pflichtteilsstrafklausel.
  • Diese Klausel besagte, dass ein Kind, das den Pflichtteil nach dem Tod des Erstversterbenden fordert, auch beim Tod des Längstlebenden nur den Pflichtteil erhält.
  • Der Erblasser hat demnach bewusst und eindeutig den Sohn enterbt, indem er diese Klausel in seinem Testament bestätigt hat. Der Sohn sollte also nur den Pflichtteil erhalten, nicht mehr.
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OLG Frankfurt a.M.: Afghanische sog. Handschuh-Ehe kann in Deutschland wirksam sein

Quelle: Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main Nr. 22/2024 vom 29.04.2024 – Beschluss vom 04.04.2024 – 6 UF 204/23

Eine in Abwesenheit eines Ehepartners in Afghanistan geschlossene sog. Handschuh-Ehe widerspricht nicht dem ordre public, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass für den Willen der Eheschließung selbst eine Stellvertretung vorliegt.  Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) bestätigte mit heute veröffentlichter Entscheidung den Beschluss des Amtsgerichts, dass diese Ehe nicht aufzuheben, auf den Hilfsantrag hin aber zu scheiden ist.

Die Beteiligten, beide afghanische Staatsangehörige, haben im Januar 2022 in Afghanistan die Ehe in Form einer sog. Handschuh-Ehe geschlossen. Bei der Eheschließung war nur die Antragsgegnerin anwesend, nicht aber der Antragsteller, der seit 2015 in Deutschland lebte. Seit der Verlobungsfeier 2019 telefonierten die Beteiligten regelmäßig miteinander, insbesondere fanden Videotelefonate statt. Im August 2022 flüchtete die Antragsgegnerin nach Deutschland und traf dort erstmals auf ihren Mann. Die Beteiligten hielten sich etwa drei Wochen zusammen bei einem Bekannten auf. Aufgrund einer dann erfolgten Selbstmeldung und ihrer eigenen Alterseinschätzung wurde die Antragsgegnerin als unbegleitete minderjährige Jugendliche in Obhut genommen.

Der Antragsteller beantragt die Aufhebung der in Afghanistan geschlossen Ehe, hilfsweise die Scheidung. Er behauptet, die Antragsgegnerin habe nur zum Erhalt eines Visums für die Einreise nach Deutschland mit ihm die Ehe geschlossen.

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LG Lübeck: Der letzte Wille ist (nicht immer) eindeutig

Quelle: Pressemitteilung des Landgerichts Lübeck vom 18.04.2024 – Urteil vom 13.12.2023 – 6 O 206/22

Im Streit um das Erbe hatte das Landgericht Lübeck den Willen der Verstorbenen zu ermitteln. Das Ergebnis: Eines der Kinder wurde enterbt.

Was ist passiert?

Eine Familie ist zerstritten. Die Mutter setzt handschriftlich ein Schreiben mit Betreff Pflichtteilsentzug für eines ihrer Kinder auf. Jahre später verfasst die Mutter maschinell ein Schreiben, wonach im Falle ihres Todes ein Kind ihr Grundstück und Vermögen erhalten und ein anderes Kind vom Erbe ausgeschlossen sein soll. Die Mutter verstirbt, die Kinder streiten um das Erbe.

Vor dem Landgericht Lübeck meint das eine Kind, es liege kein wirksames Testament vor, er sei also gesetzlicher Erbe. Das Geschwisterkind entgegnet, es sei mit dem Schreiben der Mutter als alleiniger Erbe eingesetzt worden.

Was steht dazu im Gesetz?

Jeder kann durch ein Testament festlegen, wer nach seinem Tode erben soll (und wer nicht). Das Testament muss von Hand geschrieben sein, eine Unterschrift unter einem gedruckten Text reicht nicht aus. Das Gericht muss ermitteln, was die verstorbene Person regeln wollte (§ 2084 BGB). Wenn keine Erben benannt wurden, greift die gesetzliche Erbfolge. Danach erben Kinder zu gleichen Teilen (§ 1924 BGB). Sie können zwar enterbt werden, haben dann aber einen Anspruch auf einen Mindestanteil, den sogenannten Pflichtteil (§§ 2303 ff. BGB). In bestimmten Fällen kann dieser entzogen werden (§ 2333 BGB).

Wie hat das Gericht entschieden?

Das Gericht hat entschieden, dass es ein gültiges Testament gibt, in dem ein Kind enterbt wurde. Dabei hat das Gericht die Schreiben der Mutter sowie die Umstände vor und nach deren Erstellung berücksichtigt. Das maschinell geschriebene Dokument sei kein gültiges Testament, könne aber zur Interpretation des handschriftlichen Schreibens herangezogen werden. Daraus ergebe sich, dass die Mutter das Kind enterben wollte. Das lasse sich sowohl durch die familiären Umstände als auch frühere dahingehende Äußerungen der Mutter bestätigen.

Das Urteil vom 13.12.2023 (Az. 6 O 206/22) ist nicht rechtskräftig

BSG: Väter werden bei der Zuordnung von Kindererziehungszeiten nicht diskriminiert

Quelle: Pressemitteilung des Bundessozialgerichts Nr. 14 vom 18.04.2024 – Urteil vom 18.04.2024 – B 5 R 10/23 R

Es liegt keine verfassungswidrige Benachteiligung von Männern darin, dass Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung im Zweifel bei der Mutter anerkannt werden. Das hat der 5. Senat des Bundessozialgerichts heute entschieden (Aktenzeichen B 5 R 10/23 R).

Ebenso wenig wie die Vorinstanzen hat das Bundessozialgericht verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Auffangregelung in § 56 Absatz 2 Satz 9 SGB VI. Danach wird die Erziehungszeit der Mutter zugeordnet, wenn die Eltern keine übereinstimmende Erklärung zur Zuordnung der Erziehungszeit abgegeben haben und eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vorliegt. Zwar führt die Anwendung der Auffangregelung zu einer unmittelbaren Benachteiligung des Kindsvaters. Die Ungleichbehandlung ist aber zur Verwirklichung des Gleichstellungsgebots ausnahmsweise gerechtfertigt. Indem die Erziehungszeit im Zweifel der Mutter zuordnet wird, werden faktische Nachteile ausgeglichen, die infolge der Erziehungsleistung beim Erwerb von Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehen und die Frauen weiterhin deutlich häufiger betreffen als Männer. Obgleich die Erwerbstätigenquote und teilweise auch der zeitliche Umfang der Erwerbstätigkeit von Müttern mit Kindern unter drei Jahren und auch darüber hinaus gestiegen ist, bleiben sie immer noch deutlich hinter denjenigen der Väter zurück. Diese, die Mütter bevorzugende Auffangregelung ist auch verhältnismäßig. Die übrigen Zuordnungsregelungen in § 56 Absatz 2 SGB VI lassen genügend Raum für eine Zuordnung der Erziehungszeit an einen männlichen Elternteil.