BFH: Unternehmensnachfolge an leitende Mitarbeiter – Schenkung von Unternehmensbeteiligung

Quelle: Urteil des Bundesfinanzhofs vom 20.11.2024 – VI R 21/22

Das BFH-Urteil vom 20.11.2024 (VI R 21/22) zur Unternehmensnachfolge durch Schenkung an leitende Mitarbeiter befasst sich mit der steuerlichen Einordnung solcher Übertragungen. Hintergrund ist die zunehmende Nachfolgeproblematik im Mittelstand, insbesondere bei kinderlosen Unternehmern oder ungeeigneten Nachkommen. In der Praxis werden daher Unternehmensanteile leitenden Mitarbeitern unentgeltlich oder zu Vorzugskonditionen übertragen – was regelmäßig zu Konflikten mit dem Finanzamt führt, das hierin lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn sieht.


I. Sachverhalt

  • Ehepaar überträgt GmbH-Anteile: 74,61 % an den fachfremden Sohn (mit Nießbrauchsvorbehalt), 25,39 % an zwei langjährige leitende Mitarbeiter unentgeltlich.
  • Kein Bezug der Übertragung zu künftiger oder vergangener Arbeitsleistung.
  • Rückfallklausel im Vertrag: Rückübertragung der Anteile bei Versagung schenkungsteuerlicher Verschonung.
  • Ziel laut Gesellschafterversammlung: Sicherung der Unternehmensfortführung durch Einbindung der Geschäftsführung.

II. Verfahrensgang

  • Finanzamt sah geldwerten Vorteil als Arbeitslohn, stützte sich auf eine Lohnsteueraußenprüfung.
  • Das FG Sachsen-Anhalt gab dem Mitarbeiter recht und stufte die Übertragung als Schenkung ein.
  • Revision des Finanzamts blieb vor dem BFH erfolglos.

III. Abgrenzung: Arbeitslohn vs. Schenkung

  • Arbeitslohn liegt bei Vorteilen „für“ eine Arbeitsleistung vor (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG).
  • Auch Leistungen von Dritten können lohnsteuerlich relevant sein, wenn sie in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen.
  • Typischerweise sind unentgeltliche Beteiligungsübertragungen als Arbeitslohn zu behandeln, wenn sie an die Tätigkeit anknüpfen.
  • Es gibt jedoch auch Sonderrechtsbeziehungen außerhalb des Arbeitsverhältnisses – diese können Grundlage für eine Schenkung sein.

IV. Urteil FG Sachsen-Anhalt (27.04.2022)

  • Die Übertragung sei nicht durch das Arbeitsverhältnis veranlasst.
  • Keine Bindung an Leistungen, kein Zusammenhang mit Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses.
  • Motivation sei allein die Unternehmensnachfolge, nicht die Entlohnung.
  • Ein hoher Wertunterschied zwischen Anteilen und Geschäftsführerlohn spreche ebenfalls gegen Arbeitslohnannahme.

V. Urteil BFH (20.11.2024 – VI R 21/22)

  • Der BFH bestätigt die Entscheidung des FG Sachsen-Anhalt.
  • Maßgeblich sei das Motiv der Unternehmensnachfolge, nicht die Vergütung für Arbeit.
  • Die Rückfallklausel belege, dass steuerliche Schenkungsvorteile intendiert waren.
  • Die Übertragung sei losgelöst vom Arbeitsverhältnis und weder vergangene noch zukünftige Arbeitsleistung begründeten sie.

VI. Praktische Hinweise und Kriterien für die Steuerfreiheit

Der BFH liefert folgende praxisrelevante Kriterien zur Abgrenzung von Arbeitslohn und Schenkung:

  1. Zentrales Motiv muss die Unternehmensnachfolge sein, nicht die Entlohnung.
  2. Langjährige Führungskraft des Unternehmens sollte Empfänger sein.
  3. Beteiligung mit Sperrminorität, um Einfluss auf die Unternehmensführung zu sichern.
  4. Vertragliche Rückfallklausel bei Versagung der Schenkungsteuervergünstigungen.
  5. Dokumentation der Motive, möglichst auch in der Präambel des Vertrags.

Das Urteil schafft mehr Rechtssicherheit bei echter Nachfolgegestaltung – stellt aber klar, dass bei abweichender Sachlage weiterhin Arbeitslohn angenommen werden kann.


VII. Steuerliche Implikationen & Gestaltungshinweise

  • Die Anteilsübertragung ist grundsätzlich schenkungsteuerpflichtig, kann aber nach §§ 13a, 13b, 28a ErbStG begünstigt sein (Regel- oder Optionsverschonung).
  • Regelverschonung: 85 % steuerfrei, + gleitender Abzugsbetrag von 150.000 €.
  • Optionsverschonung: 100 % steuerfrei bei Einhaltung von Bedingungen.
  • Lohnsummenklausel muss erfüllt werden (400 %/700 % der Ausgangslohnsumme über 5/7 Jahre).
  • Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft wird bei der Lohnsumme mitgezählt, nicht jedoch bei Personengesellschaften mit Sondervergütungen.
  • Betriebsaufspaltung muss bei Strukturveränderung erhalten bleiben, um stille Reserven nicht aufzudecken und Verschonung nicht zu gefährden.

VIII. Fazit

Das BFH-Urteil stärkt die Möglichkeit, Unternehmensanteile steuerlich begünstigt auf leitende Mitarbeiter zu übertragen – sofern klar erkennbar ist, dass die Zuwendung nicht lohnmotiviert, sondern aus Gründen der Unternehmensnachfolge erfolgt. Bei Beachtung der vom BFH aufgestellten Kriterien ist eine schenkungsteueroptimierte Nachfolgegestaltung ohne Einkommensteuerfolgen möglich. Das Urteil ist daher eine wichtige Leitentscheidung für Berater und Unternehmer im Bereich der Nachfolgeplanung.