OLG Stuttgart: Versorgungsausgleich darf bei EDV-Eingabefehlern berichtigt werden

Quelle: Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 12.05.2025 – 6 F 387/21

Sachverhalt
Das Amtsgericht Aalen schied 2024 eine Ehe und regelte den Versorgungsausgleich. Dabei wurden in das EDV-Programm („WinFam“) bei mehreren Anrechten des Ehemannes fehlerhaft die Werte „0“ statt der tatsächlichen Ausgleichswerte eingegeben. Nach Hinweis eines Versorgungsträgers stellte das Gericht den Fehler fest und berichtigte den Beschluss. Gegen diesen Berichtigungsbeschluss legte der Ehemann sofortige Beschwerde ein, da er die Voraussetzungen des § 42 FamFG für nicht erfüllt hielt.

Entscheidung des OLG Stuttgart

  • Die Beschwerde ist teilweise unzulässig (soweit der Ehemann durch die Berichtigung nicht beschwert ist) und im Übrigen unbegründet.
  • Die Berichtigung nach § 42 FamFG ist zulässig, weil es sich um „offenbare Unrichtigkeiten“ handelt: Offensichtliche Eingabefehler im Berechnungsprogramm, die nicht auf einer fehlerhaften rechtlichen Würdigung oder Willensbildung des Gerichts beruhen.
  • Maßgeblich ist, dass für alle Beteiligten aus den Verfahrensakten objektiv erkennbar war, dass die eingegebenen Werte falsch waren (0 Euro statt hoher mitgeteilter Ausgleichswerte).
  • Solche EDV-Eingabefehler stehen nicht im inneren Zusammenhang mit der gerichtlichen Entscheidungsfindung, sondern beruhen auf reiner Unachtsamkeit. Daher ist eine Berichtigung möglich.
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BGH: Angemessener Selbstbehalt beim Elternunterhalt

Quelle: Beschluss des Budnesgerichtshofs vom 07.05.2025 – XII ZB 563/24

Sachverhalt:

Ein Sozialhilfeträger (Antragstellerin) fordert vom unterhaltspflichtigen Sohn (Antragsgegner) Elternunterhalt i.H.v. rund 6.200 €, nachdem er für dessen Mutter (geb. 1937) im Jahr 2020 Pflegeleistungen nach dem SGB XII erbracht hatte. Der Antragsgegner verdiente im Jahr 2020 rund 118.000 €, seine Ehefrau ähnlich viel. Eine volljährige Tochter lebte im gemeinsamen Haushalt. Zwei Geschwister des Antragsgegners wurden vom Träger nicht in Anspruch genommen.

Verfahrensgang:

  • Amtsgericht: weist Antrag ab.
  • Oberlandesgericht: gibt Antrag statt.
  • BGH: bestätigt das OLG – die Rechtsbeschwerde bleibt erfolglos.

Kernaussagen und Argumentation des BGH:

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OLG Frankfurt: Gleichartigkeit von VBL- und KZVK-Anrechten im Versorgungsausgleich

Quelle: Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 25.04.2025 – 7 UF 127/24

Leitsätze (zusammengefasst):

  1. Anrechte gleicher Art (§ 18 Abs. 1 VersAusglG) sind vor der Saldierung zu addieren.
  2. VBL- und KZVK-Anrechte sind gleichartig, auch bei unterschiedlicher steuerlicher Behandlung in der Leistungsphase.
  3. Für die Bagatellprüfung ist der korrespondierende Kapitalwert ohne Teilungskosten heranzuziehen.

Sachverhalt:

  • Ehe von Juli 2012 bis Januar 2023.
  • Beide Ehegatten erwarben während der Ehezeit Anrechte bei verschiedenen Versorgungsträgern:
    • Antragstellerin: VBL (4.024,07 €), KZVK (4.742,51 €)
    • Antragsgegner: VBL (10.023,07 €), RZVK (1.908,18 €), private Vorsorge (700 € + 1.671,50 €)
  • AG Kassel hatte nur zwei Anrechte geteilt, andere wegen Geringfügigkeit (§ 18 Abs. 2 VersAusglG) unberücksichtigt gelassen.
  • Die VBL, die KZVK und die Antragstellerin legten Beschwerde ein, v.a. wegen unterlassener Prüfung der Gleichartigkeit.

Kernpunkte der Entscheidung:

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OLG Braunschweig: Auswirkungen der Mitbetreuung beim Kindesunterhalt

Quelle: Beschluss des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 04.04.2025 – 1 UF 136/24

Sachverhalt:

Die Eltern streiten über die Höhe des Kindesunterhalts für ihre drei minderjährigen Kinder, die überwiegend bei der Mutter leben. Der Vater betreut die Kinder regelmäßig von Mittwoch bis Montag (in jeder ungeraden Woche) sowie zur Hälfte der Schulferien – dies entspricht mehr als einem Drittel der Gesamtzeit. Er zahlt seit Jahren 100 % des Mindestunterhalts abzüglich hälftigen Kindergeldes.

Das Amtsgericht hatte ihn zur Zahlung von 115 % des Mindestunterhalts rückwirkend ab Januar 2020 verpflichtet. Hiergegen legte der Vater Beschwerde ein.

Kernaussagen des Beschlusses:

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BGH: Herabsetzung des notwendigen Selbstbehaltes beim Kindesunterhalt

Quelle: Beschluss des BGH vom 26.03.2025 – XII ZB 388/24 (Fortführung des Senatsurteils vom 09.01.2008 – XII ZR 170/05)

Leitsatz:

Der notwendige Selbstbehalt eines Unterhaltspflichtigen kann wegen einer gemeinsamen Haushaltsführung mit einem neuen Partner herabgesetzt werden – jedoch nicht unter das sozialhilferechtliche Existenzminimum.


Sachverhalt:

  • Kläger ist ein minderjähriges Kind, das von seinem Vater (Beklagter) Kindesunterhalt verlangt.
  • Der Vater lebt mit einer neuen Lebensgefährtin und deren zwei Kindern zusammen.
  • Sein Einkommen wechselte zwischen Leiharbeit (1.020–1.145 € netto) und Arbeitslosengeld I (937 €).
  • Er wurde zur Zahlung rückständigen und laufenden Unterhalts verurteilt.
  • Das OLG Karlsruhe gewährte dem Vater einen hohen Selbstbehalt, da er mit seiner neuen Partnerin in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft lebt.
  • Der Sohn legte Revision ein.

Kernaussagen des BGH:

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BVerfG: Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen Solidaritätszuschlag

Quelle: Pressemitteilung Nr. 30/2025 des Bundesverfassungsgerichts vom 26.03.2025 – Urteil vom 26.03.2025 – 3 BvR 1505/20

Solidaritätszuschlag 2020/2021

Mit heute verkündetem Urteil hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde gegen das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 (SolZG 1995) in der Fassung des Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 vom 10. Dezember 2019 zurückgewiesen.

Der zum 1. Januar 1995 eingeführte Solidaritätszuschlag stellt eine Ergänzungsabgabe im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 Grundgesetz (GG) dar. Der Senat führt in seinem Urteil aus, dass eine solche Ergänzungsabgabe einen aufgabenbezogenen finanziellen Mehrbedarf des Bundes voraussetzt, der durch den Gesetzgeber allerdings nur in seinen Grundzügen zu umreißen ist. Im Fall des Solidaritätszuschlags ist dies der wiedervereinigungsbedingte finanzielle Mehrbedarf des Bundes. Weiter führt der Senat aus, dass ein evidenter Wegfall des Mehrbedarfs eine Verpflichtung des Gesetzgebers begründet, die Abgabe aufzuheben oder ihre Voraussetzungen anzupassen. Insoweit trifft den Bundesgesetzgeber – bei einer länger andauernden Erhebung einer Ergänzungsabgabe – eine Beobachtungsobliegenheit. Ein offensichtlicher Wegfall des auf den Beitritt der damals neuen Länder zurückzuführenden Mehrbedarfs des Bundes kann auch heute (noch) nicht festgestellt werden. Eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Aufhebung des Solidaritätszuschlags ab dem Veranlagungszeitraum 2020 bestand und besteht folglich nicht.

Die Verfassungsbeschwerde, mit der sich die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer gegen die unveränderte Fortführung der Solidaritätszuschlagspflicht und gegen den nur teilweisen Abbau des Solidaritätszuschlags wenden, blieb daher erfolglos.

Richterin Wallrabenstein hat sich der Senatsmehrheit im Ergebnis angeschlossen, jedoch hinsichtlich der Begründung ein Sondervotum verfasst.

Sachverhalt:

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OLG Braunschweig: Teilweiser Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen jahrzehntelanger Trennung und wirtschaftlicher Entflechtung

Quelle: Beschluss des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 25.03.2025 – 13 UF 101/24

Leitsatz

Ein (teilweiser) Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG ist gerechtfertigt, wenn eine außergewöhnlich lange Trennungszeit ohne wirtschaftliche Verflechtung vorliegt und dadurch der Grundgedanke der Teilhabe an gemeinsam erworbenem Versorgungsvermögen seine Berechtigung verliert.


Sachverhalt:

  • Ehe seit dem 17.12.1984, Trennung seit dem 01.09.1995, also 28 Jahre Trennungszeit vor Scheidung.
  • Beide Ehegatten wirtschaftlich völlig entflechtet seit der Trennung.
  • Scheidungsantrag: 25.01.2024; Entscheidung AG: 28.05.2024 – Versorgungsausgleich über die volle Ehezeit (39 Jahre).
  • Antragsgegnerin rügt, dass dies grob unbillig sei – begehrt zeitliche Begrenzung des Ausgleichs bis 31.12.1997, also drei Jahre nach Trennung.
  • Antragsteller erhebt keine Einwände gegen das Begehren.

Rechtliche Bewertung des OLG:

1. Maßstab: § 27 VersAusglG – Härteklausel

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OLG Braunschweig: Notarielle Sorgerechtsvollmacht vs. Übertragung alleiniger elterlicher Sorge

Quelle: Beschluss des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 18.03.2025 – 1 WF 32/25

Kernaussage:

Eine Sorgerechtsvollmacht kann die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge gemäß § 1671 Abs. 1 Nr. 2 BGB entbehrlich machen, wenn sie dem betreuenden Elternteil ermöglicht, in den wesentlichen Angelegenheiten des Kindes eigenständig und wirksam zu handeln. In diesem Fall kommt es nicht mehr auf Kommunikationsprobleme zwischen den Eltern an.


Sachverhalt:

  • Die geschiedenen Eltern einer sechsjährigen Tochter haben gemeinsames Sorgerecht.
  • Das Kind lebt bei der Mutter.
  • Der Vater hat der Mutter im Juli 2024 eine notariell beglaubigte Sorgerechtsvollmacht für alle Angelegenheiten der elterlichen Sorge erteilt.
  • Im Dezember 2024 beantragte die Mutter die Übertragung der Alleinsorge auf sich mit der Begründung:
    • Totale Kommunikationsverweigerung des Vaters.
    • Sorgerechtsvollmachten würden von Ärzten, Behörden und Banken häufig nicht akzeptiert.
  • Sie beantragte zugleich Verfahrenskostenhilfe (VKH).

Entscheidung:

  • Das AG wies den VKH-Antrag ab, weil keine hinreichende Erfolgsaussicht für die Hauptsache bestand.
  • Das OLG bestätigte diese Entscheidung:
    • Die Sorgerechtsvollmacht reicht aus, um dem Kindeswohl zu entsprechen.
    • Es gibt keine ausreichenden Belege, dass die Vollmacht in der Praxis unbrauchbar sei.
    • Es fehlt an einem konkreten Nachweis, dass Behörden oder Ärzte die Vollmacht tatsächlich ablehnen.
    • Damit fehlt die Grundlage für eine gerichtliche Sorgerechtsübertragung.
    • Alleinsorge ist ein schwerwiegender Eingriff in das Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 GG) und nur zulässig, wenn keine milderen Mittel verfügbar sind.
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BGH: Verjährung des Pflichtteilsanspruchs bei postmortaler Vaterschaftsfeststellung?

Quelle: Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.03.2025 – IV ZR 88/24

Kernaussagen des Urteils

1. Entstehung des Pflichtteilsanspruchs

  • Der Pflichtteilsanspruch entsteht mit dem Erbfall (§ 2317 Abs. 1 BGB), auch wenn der Berechtigte seine Rechte wegen einer Rechtsausübungssperre (§ 1600d Abs. 5 BGB) noch nicht geltend machen kann (z. B. weil die Vaterschaft noch nicht festgestellt ist).
  • Eine spätere gerichtliche Feststellung der Vaterschaft ändert nichts am Entstehungszeitpunkt des Anspruchs.

2. Beginn der Verjährung (§ 199 Abs. 1 BGB)

  • Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt erst, wenn der Berechtigte:
    • Kenntnis vom Erbfall,
    • von der beeinträchtigenden Verfügung (z. B. Testament),
    • und von der gerichtlich festgestellten Vaterschaft hat.
  • Die Kenntnis erfordert nicht nur biologische Abstammung, sondern auch rechtlich gesicherte Feststellung (Anerkennung oder Urteil).
  • Grobes Verschulden (Alt. 2) kann den Verjährungsbeginn auch dann auslösen, wenn der Berechtigte die Vaterschaft nicht kennt, aber dies in grob fahrlässiger Weise verpasst hat zu erkennen.

Konkret im Fall

  • Klägerin: Nichteheliche Tochter eines 2017 verstorbenen Mannes.
  • Der Beklagte war testamentarisch Alleinerbe.
  • Vaterschaft wurde erst 2022 gerichtlich festgestellt.
  • Klägerin erhob 2023 Stufenklage auf Auskunft und Pflichtteil.
  • Der Beklagte erhob Einrede der Verjährung.

Entscheidung des BGH

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