Quelle: Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 11.11.2024 – 8 W 303/24
Kernaussagen des OLG Stuttgart:
- Ein transmortal Bevollmächtigter kann ein Nachlassgrundstück im Namen der Erben auflassen. Das ist ein nachlassbezogenes Rechtsgeschäft, das von der transmortalen Vollmacht gedeckt ist.
- Die transmortale Vollmacht gilt nicht für die Auflassungserklärung des Erwerbers.
- Im Grundbuchverfahren ist allein die Auflassung, nicht aber der zugrunde liegende Nachlassauseinandersetzungsvertrag zu prüfen.
- Das Gericht gibt seine bisherige gegenteilige Auffassung aus dem Verfahren 8 W 201/15 (2016) auf.
Sachverhalt:
- Der Erblasser war Eigentümer eines Grundstücks und verstarb 2018.
- Bereits 2014 hatte er seinen beiden Töchtern transmortale Generalvollmacht erteilt.
- Er wurde u. a. von mehreren Kindern und Enkeln beerbt.
- Drei Töchter schlossen 2024 einen Übernahmevertrag zur entgeltlichen Aufteilung des Grundstücks (je 1/3 Anteil) und erklärten im selben Akt die Auflassung.
- Eine der Töchter handelte auch als Bevollmächtigte des Erblassers (für die Erben) bei der Eigentumsumschreibung.
- Das Grundbuchamt verlangte daraufhin Erbnachweise und Genehmigungen aller Erben, was bestritten wurde.
- Das OLG gab der Beschwerde gegen die Zwischenverfügung statt.
Rechtliche Würdigung durch das OLG:
1. Vertretung durch transmortale Vollmacht im Grundbuchverfahren:
- Eine transmortale Vollmacht erlaubt es dem Bevollmächtigten, nach dem Tod des Erblassers im Namen der Erben über Nachlassvermögen zu verfügen.
- Ein Nachweis der Erbfolge oder eine Benennung der Erben ist nicht erforderlich, solange kein Widerruf vorliegt.
- Die Vollmacht bezieht sich nur auf den Nachlass, nicht auf das Eigenvermögen der Erben.
- Deshalb ist eine Erbauseinandersetzung als solche nicht von der Vollmacht gedeckt – sie betrifft das Eigenvermögen der Miterben.
2. Abgrenzung: Kausalgeschäft vs. Auflassung:
- Das Grundbuchamt darf nur das Verfügungsgeschäft (Auflassung) prüfen, nicht den zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vertrag.
- Die Auflassung durch die Bevollmächtigte ist zulässig, da sie ein nachlassbezogenes Vollzugsgeschäft ist.
- Die Erwerberinnen (Töchter) handelten selbst für ihre Seite – nicht durch Vollmacht – sodass keine unzulässige Doppelvertretung vorliegt.
3. Abstraktionsprinzip:
- Das Verfügungsgeschäft (Auflassung) ist formell unabhängig vom schuldrechtlichen Vertrag.
- Deshalb ist es unerheblich, ob die Nachlassauseinandersetzung als Vertrag (z. B. Erbteilübertragung) wirksam oder zulässig ist.
- Die Eintragungshindernisse des Grundbuchamts bestehen nicht, da die Vollmacht für die Auflassung ausreichend war.
Fazit:
Die transmortale Vollmacht berechtigt den Bevollmächtigten, Nachlassgrundstücke im Namen der Erben aufzulassen, ohne dass es eines Erbnachweises oder der Zustimmung aller Miterben bedarf. Nicht gedeckt ist jedoch die Vertretung des Erwerbers bei der Auflassung. Die Nachlassauseinandersetzung als solche fällt nicht unter den Schutzbereich der Vollmacht. Das Grundbuchamt darf sich nur mit der Auflassung, nicht mit dem Nachlassvertrag befassen.