Archiv der Kategorie: Rechtsprechung

OLG Düsseldorf: Pflegeeltern können nach Sorgerechtsentziehung Vorrang vor Verwandten haben

Quelle: Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Düsseldorf Nr. 3/19 vom 13.02.2019

Beschluss vom 20.11.2018 – II-8 UF 187/17

Wenn dem Wohl eines Kindes damit besser gedient ist, muss seine Unterbringung bei „Profi-Pflegeeltern“ auch dann ermöglicht werden, wenn ein Verwandter bereit ist, die Vormundschaft und die Betreuung des Kindes zu übernehmen. Dies hat der 8. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf entschieden (Beschluss vom 20.11.2018, Aktenzeichen II-8 UF 187/17).
In dem konkreten Fall hat das Amtsgericht Mülheim an der Ruhr einer alleinerziehenden Mutter die elterliche Sorge über ihre heute zwei und zehn Jahre alten Kinder entzogen. Die Mutter hatte ihre Kinder aus eigener Hilflosigkeit stark vernachlässigt; sie steht inzwischen selbst unter Betreuung. Die Familie wünschte, dass die Kinder nun bei den beiden Schwestern der Mutter aufwachsen sollten, die sich dazu bereiterklärt hatten.

Weil dieser Wunsch aber nicht den Interessen der Kinder diene, ist ihm nach Auffassung des 8. Familiensenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf nicht zu entsprechen. Es genüge nicht, dass den Kindern bei ihren Tanten keine weitere Gefahr drohe. Maßgeblich sei vielmehr, dass die Kinder in einer vom Jugendamt ausgewählten „Profi-Pflegefamilie“ besser aufgehoben wären als bei ihren Tanten. Denen fehle die persönliche Eignung, die für die Bestellung zum Vormund erforderlich sei. Sie hätten sich bislang nicht um die Kinder gekümmert und keine Beziehung zu ihnen aufgebaut. Die stark vernachlässigten Kinder bräuchten aber emotionale Sicherheit, einen sicheren Lebensort und stabile Lebensverhältnisse. Dies könne im konkreten Fall von „Profi-Pflegeeltern“ besser gewährleistet werden als von den eigenen Verwandten. Um die Unterbringung bei Pflegeeltern zu ermöglichen, hat der Senat die Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt, das Jugendamt zum Vormund zu bestellen.

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BAG: Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis

Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr 1/19 vom 22.01.2019

Urteil vom 22.01.2019 – 9 AZR 45/16

Endet das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers, haben dessen Erben nach §1922 Abs. 1 BGB iVm. § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) Anspruch auf Abgeltung des von dem Erblasser nicht genommenen Urlaubs.

Die Klägerin ist Alleinerbin ihres am 20. Dezember 2010 verstorbenen Ehemanns (Erblasser), dessen Arbeitsverhältnis mit der Beklagten durch seinen Tod endete. Nach § 26 des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) standen dem Erblasser in jedem Kalenderjahr 30 Arbeitstage Urlaub zu. Der Erblasser wurde mit Wirkung vom 18. August 2010 als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Er hatte danach gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB IX aF für das Jahr 2010 Anspruch auf anteiligen Zusatzurlaub von zwei Arbeitstagen. Die Klägerin verlangt die Abgeltung des Resturlaubs von insgesamt 25 Arbeitstagen, der ihrem verstorbenen Ehemann zum Zeitpunkt seines Todes für das Jahr 2010 noch zustand.

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LSG Niedersachsen-Bremen: Wer das Erbe nicht ehrt

Quelle: Pressemitteilung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 14.01.2019

Urteil vom 12.12.2018 – L 13 AS 111/17

Wer seine Hilfebedürftigkeit in missbilligenswerter Weise zulasten der Solidargemeinschaft selbst herbeiführt, darf Grundsicherungsleistungen des Jobcenters nicht behalten. Wo genau sozialwidriges Verhalten anfängt, hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) in drei Urteilen aufgezeigt.

Im ersten Fall hatte ein 51-jähriger Hartz-IV-Empfänger aus Emden geklagt, der nach dem Tod seines Onkels im Jahre 2011 zunächst von dessen Erbe lebte. Als der Mann ab 2013 erneut Grundsicherungsleistungen bezog, nahm das Jobcenter eine Rückforderung vor. Er habe das geerbte Vermögen in kurzer Zeit verschwendet und hierdurch seine Hilfebedürftigkeit herbeigeführt. Demgegenüber rechtfertigte sich der Mann mit einer vermeintlichen Alkoholerkrankung. Er habe den überwiegenden Teil des Tages in Gaststätten verbracht.

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LAG Berlin-Brandenburg: Verlängerung der Elternzeit um das dritte Lebensjahr des Kindes bedarf keiner Zustimmung des Arbeitgebers

Quelle: Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts Nr. 25/18 vom 20.12.2018

Urteil vom 20.09.2018 – 21 Sa 390/18

Die Inanspruchnahme von Elternzeit für das dritte Lebensjahr eines Kindes im Anschluss an die Elternzeit während der ersten beiden Lebensjahre ist nicht von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängig. Das hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden. Der Kläger hatte Elternzeit für zwei Jahre ab der Geburt des Kindes beantragt. Einige Monate nach der Geburt des Kindes stellte er einen weiteren Antrag auf Elternzeit für ein weiteres Jahr, das sich direkt anschließen sollte. Dies wurde von der Arbeitgeberin abgelehnt.
Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass sich der Kläger während des dritten Lebensjahres des Kindes in Elternzeit befindet.

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BGH: Aussetzung des Verfahrens zur Wirksamkeit von sogenannten Kinderehen und Vorlage der Sache an das Bundesverfassungsgericht

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 186/18 vom 14.12.2018

Beschluss vom 14.11.2018 – XII ZB 292/16

Der u.a. für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat ein Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt, in dem es maßgeblich auf die Wirksamkeit des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen ankommt.

Sachverhalt:

Der am 1. Januar 1994 geborene Antragsteller und die am 1. Januar 2001 geborene minderjährige Betroffene sind syrische Staatsangehörige. Sie wuchsen im selben Dorf in Syrien auf. Am 10. Februar 2015 schlossen sie vor dem Scharia-Gericht in Sarakeb/Syrien die Ehe. Aufgrund der Kriegsereignisse flüchteten sie über die sogenannte „Balkanroute“ von Syrien nach Deutschland, wo sie im August 2015 ankamen. Nach ihrer Registrierung in einer Erstaufnahmeeinrichtung wurde die Betroffene, die bis dahin seit Februar 2015 mit dem Antragsteller zusammengelebt hatte, im September 2015 vom Jugendamt in Obhut genommen, vom Antragsteller getrennt und in eine Jugendhilfeeinrichtung für weibliche minderjährige unbegleitete Flüchtlinge verbracht. Das Amtsgericht stellte das Ruhen der elterlichen Sorge fest und ordnete Vormundschaft an. Zum Vormund wurde das zuständige Stadtjugendamt bestellt.

Der Antragsteller, der zunächst nicht wusste, wohin die Betroffene verbracht worden war, hat sich im Dezember 2015 an das Amtsgericht gewandt und eine Überprüfung der Inobhutnahme sowie die Rückführung der Betroffenen beantragt.

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BGH: Erbenhaftung des Fiskus für Wohngeldschulden in einer Wohnungseigentümergemeinschaft

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 187/18 vom 14.12.2018

Urteil vom 14.12.2018 – V ZR 309/17

Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass der Fiskus (die öffentliche Hand), der zum gesetzlichen Alleinerben eines Wohnungseigentümers berufen ist, für die nach dem Erbfall fällig werdenden oder durch Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft begründeten Wohngeldschulden in aller Regel nur mit dem Nachlass haftet.

Sachverhalt:

Die Beklagte ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Das klagende Land (im Folgenden: Kläger) ist gesetzlicher Alleinerbe eines im Juni 2006 verstorbenen Wohnungseigentümers (§ 1936 BGB). Bis Januar 2007 zog der Kläger die Mieten des seinerzeitigen Mieters der Wohnung ein und zahlte an die Beklagte Wohngeld für Januar bis März 2007. Ab Februar 2007 stand die Wohnung leer. Mit Schreiben vom 5. Juni 2007 teilte der Kläger der Beklagten mit, die Wohnung bis zur Veräußerung selbst zu verwalten. Auf seinen Antrag eröffnete das Insolvenzgericht im Juli 2009 das Insolvenzverfahren über den Nachlass des Erblassers. Der eingesetzte Insolvenzverwalter gab die Eigentumswohnung im August 2009 aus der Insolvenzmasse frei. Das Insolvenzverfahren wurde im Mai 2010 aufgehoben. Auf Antrag der Beklagten wurde die Wohnung im April 2011 zwangsversteigert.

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BGH: Wirksame Patientenverfügung zum Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 185/2018 vom 13.12.2018

Beschluss vom 14.11.2018 – XII ZB 107/18

Der u.a. für Betreuungssachen zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich erneut mit den Anforderungen befasst, die eine Patientenverfügung im Zusammenhang mit dem Abbruch von lebenserhaltenden Maßnahmen erfüllen muss.

Die im Jahr 1940 geborene Betroffene erlitt im Mai 2008 einen Schlaganfall und befindet sich seit einem hypoxisch bedingten Herz-Kreislaufstillstand im Juni 2008 in einem wachkomatösen Zustand. Sie wird seitdem über eine Magensonde künstlich ernährt und mit Flüssigkeit versorgt.

Bereits im Jahr 1998 hatte die Betroffene ein mit „Patientenverfügung“ betiteltes Schriftstück unterschrieben. In diesem war niedergelegt, dass unter anderem dann, wenn keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht oder aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe, „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“ sollen.

Zu nicht genauer festgestellten Zeitpunkten von 1998 bis zu ihrem Schlaganfall hatte die Betroffene mehrfach gegenüber verschiedenen Familienangehörigen und Bekannten angesichts zweier Wachkoma-Patienten aus ihrem persönlichen Umfeld geäußert, sie wolle nicht künstlich ernährt werden, sie wolle nicht so am Leben erhalten werden, sie wolle nicht so daliegen, lieber sterbe sie. Sie habe durch eine Patientenverfügung vorgesorgt, das könne ihr nicht passieren. Im Juni 2008 erhielt die Betroffene einmalig nach dem Schlaganfall die Möglichkeit, trotz Trachealkanüle zu sprechen. Bei dieser Gelegenheit sagte sie ihrer Therapeutin: „Ich möchte sterben.“

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OLG Frankfurt a.M.: Bei verschwiegener tatsächlich bestehender Ehe kann Lebensgefährte nicht wirksam die Vaterschaft anerkennen

Quelle: Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main Nr. 59/2018 vom 03.12.2018

Beschlüsse vom 25. 10. 2018 – 20 W 153/18 und 20 W 154/18

Eine bestehende Ehe entfaltet bis zum Zeitpunkt einer rechtskräftigen Vaterschaftsanfechtung eine „Sperrwirkung“ gegenüber einer Anerkennungserklärung. Die Kinder können bei einer fortbestehenden Ehe deshalb nicht den Familiennamen des Lebenspartners tragen, hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden. Als Familienname kommt allein der Name der Mutter oder aber ihres Ehemanns als rechtlicher Vater in Betracht.

Die Beteiligten streiten über die Berichtigung von Vor- und Familiennamen der 2003 bzw. 2005 in Offenbach am Main geborenen Kinder im Geburtsregister.

Die ursprünglich aus Marokko stammende Mutter war bei den Geburten der Kinder bereits deutsche Staatsangehörige. Sie gab bei den Geburten jeweils wahrheitswidrig an, nicht verheiratet zu sein. Tatsächlich hatte sie bereits 2001 in Marokko geheiratet. Ihr marokkanischer Ehemann lebte zum Zeitpunkt der Geburten in Marokko. Die Ehe besteht bis heute fort. Der damalige Lebenspartner der Mutter erklärte jeweils kurz nach den Geburten der Kinder, dass er die Vaterschaft anerkenne. Die Kinder erhielten mit Zustimmung der Mutter den Familiennamen ihres nicht sorgeberechtigten Partners.

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OLG Düsseldorf: Neue „Düsseldorfer Tabelle“ ab 1.1.2019

Quelle: Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Düsseldorf Nr. 31/2018 vom 27.11.2018

Das Oberlandesgericht Düsseldorf gab am 27.11.2018 bekannt, dass zum 1.1.2019 die Düsseldorfer Tabelle geändert wird.

Die „Düsseldorfer Tabelle“ ab dem 01.01.2019 können Sie hier herunterladen.

Änderung der Bedarfssätze

Der Mindestunterhalt beträgt ab dem 1.1.2019 für

  • Kinder der ersten Altersstufe (bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres) 354 Euro statt bisher 348 Euro
  • Kinder der zweiten Altersstufe (bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres) 406 Euro statt bisher 399 Euro
  • Kinder der dritten Altersstufe (vom 13. Lebensjahr bis zur Volljährigkeit) 476 Euro statt bisher 467 Euro.

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OLG Frankfurt a.M.: Kindeswohl und Kindeswille

Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main Nr. 54/2018 vom 14.11.2018

Beschluss vom 16.10.2018 – 1 UF 74/18

Hat das Familiengericht nach Trennung der Eltern den Aufenthalt eines Kindes einem Elternteil zugeordnet (Residenzmodell), müssen triftige Kindeswohlgründe vorliegen, um später eine Umgangsregelung im Sinne eines paritätischen Wechselmodells anzuordnen. Der Kindeswille stellt dabei nur einen von mehreren Gesichtspunkten bei der Ermittlung des Kindeswohls dar, betont das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in einem heute veröffentlichten Beschluss.

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