Archiv der Kategorie: Rechtsprechung

BFH: Vergebliche Prozesskosten können bei der Erbschaftsteuer abgezogen werden

Quelle: Pressemitteilung des Bundesfinanzhofs Nr. 23/20 vom 20.05.2020 – Urteil vom 06.11.2019 – II R 29/16

Erst kein Glück, dann noch Pech: Der Erblasser gibt zu Lebzeiten sein Vermögen weg; ein nach dem Erbfall vom Erben angestrengter Prozess auf Rückgabe geht verloren und schließlich versagen Finanzamt (FA) und Finanzgericht auch noch den Abzug der Prozesskosten bei der Erbschaftsteuer – so geschehen im Fall des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 06.11.2019 – II R 29/16. Das höchste deutsche Steuergericht ist dem nun entgegengetreten: Kosten eines Zivilprozesses, in dem ein Erbe vermeintliche zum Nachlass gehörende Ansprüche des Erblassers geltend gemacht hat, sind als Nachlassregelungskosten vom Erwerb von Todes wegen abzugsfähig; die faktische „Steuerfreiheit“ bei misslungener Rückforderung steht dem Abzug nicht entgegen.

Der 1999 verstorbene Erblasser hatte seine Porzellansammlung 1995 einem städtischen Museum geschenkt. Die Erben forderten nach seinem Tod von der Stadt die Rückgabe der Sammlung mit der Begründung, dass der Erblasser bei der Schenkung nicht mehr geschäftsfähig gewesen sei. Die Klage und die eingelegten Rechtsmittel waren jedoch erfolglos und die Erben blieben auf den Prozesskosten sitzen. Sie machten daher die Kosten bei der Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit steuermindernd geltend. Weil dies vom FA jedoch abgelehnt wurde, zogen die Erben erneut vor Gericht. Und diesmal mit Erfolg.

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AG Esslingen: Zum 27. April 2020 wird am Amtsgericht Esslingen der erweiterte Dienstbetrieb wieder aufgenommen.

Pressemitteilung des Amtsgerichts Esslingen vom 24.04.2020

Zum 27. April 2020 wird am Amtsgericht Esslingen der erweiterte Dienstbetrieb wieder aufgenommen.
Gerichtsverhandlungen werden wieder regelmäßig terminiert und stattfinden. 
Um die Ausbreitung des Coronavirus (COVID 19) weiterhin einzudämmen und die Verfahrensbeteiligten vor einer Infektion zu schützen, geltend die folgenden Infektionsschutzmaßnahmen:

1. Zutrittsbeschränkungen und Zutrittskontrollen
• Personen mit Symptomen einer Corona-Erkrankung
• Personen, die innerhalb der letzten 14 Tage persönlich Kontakt zu einer Corona-infizierten Person hatten oder
• Personen, die innerhalb der letzten 14 Tagen aus dem Ausland eingereist sind.
erhalten derzeit keinen Zutritt zum Gebäude.
In unaufschiebbaren Angelegenheiten nehmen Sie telefonisch Kontakt unter 0711 3962-0 auf.
Die Zutrittsbeschränkungen werden durch Wachtmeister kontrolliert.
Zur Reduzierung des Publikumsverkehrs in den öffentlichen Bereichen werden Sie gebeten, erst kurz vor Ihrem Termin zum Amtsgericht zu kommen und danach wieder das Gebäude zu verlassen.

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OLG Stuttgart: Aufnahme eines erweiterten Dienstbetriebs am Oberlandesgericht Stuttgart und in dessen Gerichtsbezirk ab 27. April 2020

Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 23.04.2020

Das Oberlandesgericht Stuttgart und die Gerichte im Bezirk des Oberlandesgerichts Stuttgart werden ab dem 27. April 2020 wieder einen erweiterten Dienstbetrieb aufnehmen. Damit endet eine sechswöchige Phase, in der der Gerichtsbetrieb nur bei stark reduzierter Anwesenheit vor Ort aufrechterhalten wurde und – neben der Arbeit im Home-Office – im Gericht vornehmlich Unaufschiebbares erledigt worden ist. Nunmehr wird der Dienstbetrieb erweitert, so dass Verhandlungstermine auch wieder in nicht eilbedürftigen Verfahren stattfinden werden.

Die Präsidentin des Oberlandesgerichts Stuttgart Cornelia Horz nahm diese Gelegenheit zum Anlass, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gerichte des OLG-Bezirks für den großen Einsatz und die gelebte Kollegialität zu danken. Ihr Dank gilt auch der Rechtsanwaltschaft und allen Bürgerinnen und Bürgern für deren Verständnis und umsichtiges Handeln in den vergangenen Wochen. Trotz des eingeschränkten Betriebs war jederzeit sichergestellt, dass bei allen Gerichten eilige, unaufschiebbare Entscheidungen getroffen werden konnten. „Die Kolleginnen und Kollegen waren sich“, so Präsidentin Horz, „in dieser außergewöhnlichen, schwierigen Situation ihrer besonderen Aufgabe und Verantwortung für den im Grundgesetz verankerten Justizgewährleistungsanspruch bewusst, und dieser wurde durch die Gerichte überall im Land uneingeschränkt erfüllt“.

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AG Hannover: Vaterschaftsfeststellung auch über die Großeltern möglich

Quelle: Pressemitteilung des Amtsgerichts Hannover vom 14.04.2020 (Portals des Landes Niedersachsen)

Das Amtsgericht Hannover hat durch den Richter am Amtsgericht Lars Busch im April 2020 die Vaterschaft eines 31- Jährigen durch Beschluss festgestellt. Hintergrund des Verfahrens war ein Antrag seiner im März 2018 geborenen Tochter, die durch das Jugendamt vertreten wurde. Durch den Antrag sollte festgestellt werden, dass der 31-Jährige ihr Vater sei. Zur Begründung hat die Tochter vorgebracht, dass die Mutter in der gesetzlichen Empfängniszeit ausschließlich mit dem 31-Jährigen geschlechtlich verkehrt habe. Seitens des Jugendamtes wurde der 31-Jährige im Vorfeld vergeblich aufgefordert, die Vaterschaft urkundlich anzuerkennen, so dass eine gerichtliche Vaterschaftsfeststellung erforderlich wurde.

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BVerfG: Erfolglose Eilanträge im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie

Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 23/2020 vom 08.04.2020

Beschluss vom 07.04.2020 – 1 BvR 755/20

I. Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Ersten Senats einen Antrag auf vorläufige Außerkraftsetzung der bayerischen Verordnung über Infektionsschutzmaßnahmen und über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie abgelehnt. Der Antragsteller hielt die Verbote, Freunde zu treffen, seine Eltern zu besuchen, zu demonstrieren oder neue Menschen kennenzulernen, für zu weitgehend. Der Antrag war zwar nicht wegen des Grundsatzes der Subsidiarität unzulässig, da die vorherige Anrufung der Fachgerichte derzeit offensichtlich aussichtslos ist, denn diese haben bereits in anderen Verfahren den Erlass einstweiliger Anordnungen abgelehnt. Er war aber unbegründet. Die Kammer hatte im Rahmen einer Folgenabwägung aufgrund summarischer Prüfung zu entscheiden, wobei die Auswirkungen auf alle von den angegriffenen Regelungen Betroffenen zu berücksichtigen waren. Danach sind die Nachteile, die sich aus einer vorläufigen Anwendung ergeben, wenn sich die angegriffenen Maßnahmen im Nachhinein als verfassungswidrig erwiesen, zwar von besonderem Gewicht. Sie überwiegen aber nicht deutlich die Nachteile, die entstehen würden, wenn die Maßnahmen außer Kraft träten, sich aber später doch als verfassungsgemäß erweisen würden. Die Gefahren für Leib und Leben wiegen hier schwerer als die Einschränkungen der persönlichen Freiheit. Zwar beschränken die angegriffenen Maßnahmen die Grundrechte der Menschen, die sich in Bayern aufhalten, erheblich. Sie schreiben vor, den unmittelbaren körperlichen Kontakt und weithin auch die reale Begegnung einzuschränken oder ganz zu unterlassen, sie untersagen Einrichtungen, an denen sich Menschen treffen, den Betrieb, und sie verbieten es, die eigene Wohnung ohne bestimmte Gründe zu verlassen. Erginge die beantragte einstweilige Anordnung nicht und hätte die Verfassungsbeschwerde Erfolg, wären all diese Einschränkungen mit ihren erheblichen und voraussichtlich teilweise auch unumkehrbaren sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Folgen zu Unrecht verfügt und etwaige Verstöße gegen sie auch zu Unrecht geahndet worden.

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AG Esslingen: Eingeschränkter Dienstbetrieb am Amtsgericht Esslingen

Quelle: Pressemitteilung des Amtsgerichts Esslingen März 2020

Eingeschränkter Dienstbetrieb am Amtsgericht Esslingen
Nachdem der Ministerrat und das Ministerium der Justiz und für Europa dringend empfohlen haben, alle nicht notwendigen sozialen Kontakte und die Anwesenheit in Dienstgebäuden auf das unabdingbar erforderliche Maß zu beschränken, hat auch die Leitung des Amtsgerichts Esslingen entsprechende Maßnahmen ergriffen, um  möglichst umfassend dem Gesundheitsschutz zu dienen, aber auch den zwingend erforderlichen Dienstbetrieb aufrecht zu erhalten.
Es  ist durch einen Notfallplan sichergestellt, dass  bis – vorläufig –  19. April 2020 für unaufschiebbare Verhandlungen und Dienstgeschäfte  die dafür notwendige Infrastruktur zur Verfügung steht.
Alle aufschiebbaren Verhandlungen werden vorbehaltlich der richterlichen Unabhängigkeit vorerst nicht stattfinden.  Beteiligte und Rechtsanwälte werden hiervon – gegebenenfalls telefonisch – unterrichtet.
Das für die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit erforderliche Personal wird im Wechsel in den Dienstgebäuden anwesend sein. 
Unter Wahrung des Öffentlichkeitsgrundsatzes sind öffentlich zugängliche Bereiche soweit wie möglich geschlossen.

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BFH: Erbschaft- und Schenkungsteuer: Maßgebende Steuerklasse beim Erwerb vom biologischen Vater

Quelle: Pressemitteilung des Bundesfinanzhofs Nr. 13 vom 12.03.2020

Urteil vom 05.12.2019 – II R 5/17

Erbt ein Kind von seinem biologischen Vater, findet auf das Erbe nicht die für Kinder günstige Steuerklasse I Anwendung, sondern es wird nach der Steuerklasse III besteuert. Dies hat der II. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) mit Urteil vom 05.12.2019 entschieden. Dasselbe gilt, wenn der biologische Vater seinem Kind zu Lebzeiten eine Schenkung macht.

§ 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 2 ErbStG sieht vor, dass auf Kinder und Stiefkinder die Steuerklasse I anzuwenden ist. In dieser Klasse fällt bei einem Erwerb bis 75.000 € eine Steuer in Höhe von 7 % an. In der Steuerklasse III sind dafür bereits 30 % Steuer zu zahlen. Besser kommen Kinder auch bei den Freibeträgen weg. Sie erhalten 400.000€, bei Steuerklasse III hingegen lediglich 20.000 €.

Im Streitfall war der Kläger der leibliche, aber nicht der rechtliche Vater. Der Kläger war also der sog. biologische Vater seiner Tochter. Der rechtliche Vater war ein anderer Mann, mit dem die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet war. Der Kläger schenkte seiner leiblichen Tochter 30.000 € und beantragte beim Finanzamt (FA) die Anwendung der günstigen Steuerklasse I. Das FA lehnte mit dem Hinweis ab, die Steuerklasse I finde nur im Verhältnis der Tochter zu ihrem rechtlichen Vater Anwendung. Rechtlicher Vater sei aber der Ehemann der Mutter und nicht der Kläger.

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BFH: Kein Zeugnisverweigerungsrecht volljähriger Kinder im Kindergeldprozess

Quelle: Pressemitteilung des Bundesfinanzhofs Nr. 11 vom 05.03.2020

Urteil vom 18.09.2019 III R 59/18

Der BFH entschied mit Urteil vom 18.09.2019, dass in dem von einem Elternteil geführten Kindergeldprozess das volljährige Kind kein Zeugnisverweigerungsrecht hat und deshalb zur Aussage verpflichtet ist.

Im Streitfall ging es darum, ob im Falle geschiedener Eltern der Vater oder die Mutter das Kindergeld für das gemeinsame Kind beanspruchen konnten. Der Vater hatte beantragt, das Kindergeld zu seinen Gunsten festzusetzen, weil das Kind nicht mehr bei der Mutter lebe und er den höheren Unterhaltsbeitrag leiste. Das Finanzgericht wies die Klage des Vaters mit der Begründung ab, das Kind lebe weiterhin im Haushalt der Mutter. Es stützte sich dazu auf ein Schreiben des Kindes an die Kindergeldkasse, wonach es sich jedes zweite Wochenende in der Wohnung der Mutter aufgehalten und auch die Sommerferien dort verbracht habe. Das FG verzichtete auf eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch Vernehmung des Kindes, weil das Kind erklärt hatte, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen.

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BVerfG: Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verfassungswidrig

Quelle: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 12/2020 vom 26.02.2020 – Urteil vom 26. Februar 2020 – 2 BvR 2347/15, 2 BvR 2527/16, 2 BvR 2354/16, 2 BvR 1593/16, 2 BvR 1261/16, 2 BvR 651/16

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Die in Wahrnehmung dieses Rechts getroffene Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren. Mit dieser Begründung hat der Zweite Senat mit Urteil vom heutigen Tage entschieden, dass das in § 217 des Strafgesetzbuchs (StGB) normierte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung gegen das Grundgesetz verstößt und nichtig ist, weil es die Möglichkeiten einer assistierten Selbsttötung faktisch weitgehend entleert. Hieraus folgt nicht, dass es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen untersagt ist, die Suizidhilfe zu regulieren. Er muss dabei aber sicherstellen, dass dem Recht des Einzelnen, sein Leben selbstbestimmt zu beenden, hinreichend Raum zur Entfaltung und Umsetzung verbleibt.

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OLG Celle: Verantwortlichkeit von Kindern für Schäden im Straßenverkehr – Achtjährige können haftbar sein, wenn sie andere Fußgänger im Straßenverkehr schädigen –

Quelle: Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Celle vom 20.02.2020

Urteil vom vom 19.02.2020 – 14 U 69/19

Während des Sommerurlaubs mit ihren Eltern fuhr ein achtjähriges Kind – welches bereits seit seinem fünften Lebensjahr mit dem Fahrrad am Straßenverkehr teilnimmt – auf einer Uferpromenade mit dem Fahrrad. Die Eltern gingen in Ruf- und Sichtweite einige Meter zu Fuß hinter dem Kind. Während das Kind vorwärts fuhr, sah es über einen längeren Zeitraum nach hinten zu den Eltern um und steuerte dabei auf eine Fußgängerin zu. Bei dem Versuch, einen Zusammenstoß mit dem sich nähernden Kind zu verhindern, stürzte und verletzte sich die Fußgängerin. Die Eltern hatten ihrerseits versucht, das Kind – welches noch eine Vollbremsung einleitete – durch Rufe zu warnen. Die Fußgängerin nahm das Kind und dessen Eltern vor dem Landgericht Hannover auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.

Das Landgericht (Az. 16 O 9/17) hatte die Klage der Fußgängerin abgewiesen. Auf deren Berufung hat der u.a. für Verkehrssachen zuständige 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle die Entscheidung des Landgerichts durch Urteil vom 19. Februar 2020 teilweise geändert und das Kind zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt. (Az. 14 U 69/19). Ein Anspruch gegenüber den Eltern des Kindes bestehe demgegenüber nicht, weil diese ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt hätten.

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