OLG Zweibrücken: Vertragsmäßige Verfügungen im Erbvertrag mit Rücktrittsvorbehalt

Quelle: Beschluss des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 10.03.2025 – 8 W 19/24 (Vorinstanz: AG Kaiserslautern Beschluss vom 05.02.2024 – 1 VI 1028/23)

Kernaussagen der Entscheidung:

  1. Vertragsmäßige Verfügungen im Erbvertrag bleiben bindend, selbst wenn ein vertraglicher Rücktrittsvorbehalt besteht (§§ 2293, 2289 BGB).
  2. Zuwendungen an Dritte (z. B. Stiefkinder) in einem Erbvertrag, der im Hinblick auf eine bevorstehende Ehe geschlossen wurde, werden bei späterer Scheidung unwirksam (§§ 2279 Abs. 2, 2077 BGB).
  3. Dass der Erblasser nicht vom Erbvertrag zurückgetreten ist, bedeutet nicht, dass er die Zuwendung für den Fall der Scheidung trotzdem gewollt hat (§ 2077 Abs. 3 BGB).

Sachverhalt im Überblick:

  • Der kinderlose Erblasser war mit der Mutter der Beteiligten zu 2) (seiner Stieftochter) verheiratet gewesen. Die Ehe wurde 1995 geschieden.
  • Vor der Eheschließung schlossen der Erblasser und seine Verlobte 1990 einen notariellen Ehe- und Erbvertrag:
    • Gütertrennung.
    • Der Erblasser setzte die Tochter der Verlobten (Beteiligte zu 2) als Alleinerbin ein.
    • Zusätzlich erhielt die Verlobte ein lebenslanges Wohnrecht (Vermächtnis).
    • Der Erblasser behielt sich Rücktritt vom Erbvertrag vor.
    • Beide Parteien erkannten die Verbindlichkeit der Vereinbarungen ausdrücklich an.

Verfahrensverlauf:

  • Nach dem Tod des Erblassers beantragte die Nichte des Erblassers (Beteiligte zu 1) die Ausstellung eines Erbscheins nach gesetzlicher Erbfolge.
  • Begründung: Der Erbvertrag sei durch die Scheidung der Ehe unwirksam geworden.
  • Die Stieftochter (Beteiligte zu 2) hielt daran fest, dass sie gültig als Erbin eingesetzt worden sei.
  • Das Nachlassgericht wies den Erbscheinsantrag der Nichte zurück.
  • Das OLG Zweibrücken hob diesen Beschluss auf und gab der Nichte recht.

Begründung des OLG:

1. Vertragsmäßige Verfügung trotz Rücktrittsvorbehalt:

  • Die Erbeinsetzung der Stieftochter war vertragsmäßig.
  • Dies folgt aus dem ausdrücklichen Wortlaut des Erbvertrages (gemeinsame Bindung, nur einvernehmliche Änderung möglich).
  • Der Rücktrittsvorbehalt ändert daran nichts – er lockert nur die Bindung, hebt sie nicht auf.

2. Unwirksamkeit der Verfügung wegen Scheidung (§ 2077 BGB):

  • Nach § 2279 Abs. 2 BGB i. V. m. § 2077 BGB wird eine Zuwendung an einen Dritten im Erbvertrag unwirksam, wenn sie im Zusammenhang mit einer Ehe steht, die später geschieden wurde.
  • Hier bestand ein enger Zusammenhang mit der bevorstehenden Ehe.
  • Die Zuwendung an die Stieftochter erfolgte nicht unabhängig vom Fortbestand der Ehe.

3. Keine Anhaltspunkte für „Scheidungsfestigkeit“ (§ 2077 Abs. 3 BGB):

  • Die Stieftochter konnte nicht nachweisen, dass der Erblasser sie auch bei Scheidung als Erbin gewollt hätte.
  • Das behauptete „Vater-Tochter-Verhältnis“ war nicht belegbar zum Zeitpunkt der Vertragsschließung.
  • Der Erblasser brauchte nicht zurückzutreten, da nach der Scheidung die Erbeinsetzung automatisch unwirksam wurde (§ 2077 Abs. 1 BGB).

Rechtsfolgen:

  • Der Erbvertrag war insgesamt unwirksam.
  • Die Erbfolge richtete sich nach der gesetzlichen Erbfolge (§ 1924 BGB).
  • Alleinerbin wurde daher die Nichte des Erblassers (Beteiligte zu 1).
  • Das Nachlassgericht wurde angewiesen, einen entsprechenden Erbschein zu erteilen.