Quelle: Beschluss des Oberlandesgerichts vom 09.07.2025 – 8 W 56/24
Sachverhalt:
Die Beteiligten zu 1) und 2) sind Geschwister und Kinder der Erblasserin und ihres 2017 verstorbenen Ehemannes. Die Eheleute hatten 2012 ein gemeinschaftliches handschriftliches Testament verfasst, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben und ihre Kinder zu Schlusserben bestimmten. Enthalten war zudem eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel: Wenn eines der Kinder nach dem Tod des Erstversterbenden entgegen dem Willen des Überlebenden einen Pflichtteil geltend macht und erhält, ist es für beide Erbfälle von der Erbfolge ausgeschlossen.
Nach dem Tod des Vaters verlangte Beteiligte zu 1) mit Anwaltsschreiben Auskunft zum Nachlass und machte ihren Pflichtteil geltend, was zur Auszahlung führte. Nach dem Tod der Mutter beantragte der Beteiligte zu 2) einen Erbschein als Alleinerbe unter Berufung auf den Erbfolgeausschluss seiner Schwester aufgrund der Strafklausel. Diese wehrte sich mit dem Argument, die Geltendmachung des Pflichtteils sei nicht „gegen den Willen“ der Mutter erfolgt, da sie keine Ablehnung geäußert habe.
Entscheidung:
Das OLG Zweibrücken weist die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Erbschein-Beschluss des Amtsgerichts Kaiserslautern zurück und bestätigt:
Wesentliche Argumente des Gerichts:
- Wirksamkeit der Pflichtteilsstrafklausel:
- Die Strafklausel ist wirksam und eindeutig formuliert.
- Sie dient dazu, den länger lebenden Ehegatten vor Pflichtteilsforderungen zu schützen und den Nachlass zusammenzuhalten.
- Auslegung des Begriffs „gegen den Willen“:
- Eine ausdrückliche Verweigerungshaltung oder Konfliktäußerung des überlebenden Ehegatten ist nicht erforderlich.
- Es reicht aus, wenn der Pflichtteilsberechtigte einseitig und konfrontativ auf die Geltendmachung hinarbeitet, ohne zuvor ein Einvernehmen zu suchen.
- Dies sei hier geschehen, da die Beteiligte zu 1) durch anwaltliches Schreiben „zur vorläufigen Durchsetzung ihres Pflichtteilsrechts“ Auskunft verlangte – ein konfrontatives Vorgehen.
- Bedeutung der Auskunftserteilung und Auszahlung durch die Erblasserin:
- Dass die Mutter den Auskunftsanspruch anerkannte und zahlte, ändert nichts.
- Dies ist Ausdruck rechtlich korrekten Verhaltens, nicht eines Einvernehmens oder Einverständnisses.
- Folge:
- Die auflösende Bedingung der Pflichtteilsstrafklausel ist eingetreten.
- Die Beteiligte zu 1) ist mit ihrem gesamten Stamm von der Erbfolge ausgeschlossen.
- Der Beteiligte zu 2) ist testamentarischer Alleinerbe.
Ergebnis:
Das OLG Zweibrücken stellt klar: Bereits eine konfrontative und einseitige Geltendmachung des Pflichtteils – ohne vorherige Einigung mit dem überlebenden Ehegatten – genügt, um eine Pflichtteilsstrafklausel wirksam werden zu lassen. Die Zustimmung oder Reaktion des überlebenden Ehegatten (z. B. Anerkennung oder Zahlung) ändert daran nichts. Die Tochter verliert dadurch endgültig ihre Stellung als Erbin.