Quelle: Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. vom 31.07.2025 – 6 UF 134/25
Das OLG Frankfurt entschied, dass bei einem Streit gemeinsam sorgeberechtigter Eltern über den überwiegenden Aufenthalt des Kindes keine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB erforderlich ist. Stattdessen ist der Konflikt durch eine umgangsrechtliche Regelung gemäß § 1684 Abs. 3 Satz 1 BGB zu lösen.
Im konkreten Fall stritten Mutter und Vater eines 14-jährigen Sohnes darüber, bei wem dieser hauptsächlich leben sollte. Das Amtsgericht hatte dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen, weil das Kind bei ihm leben wollte und die Mutter in ihrer Erziehungsfähigkeit eingeschränkt erschien. Das OLG hob diese Entscheidung jedoch auf: Der Streit betreffe allein die Aufteilung der Betreuungszeiten, nicht das elterliche Sorgerecht selbst.
Nach Auffassung des Senats besteht kein Regelungsbedarf für eine sorgerechtliche Übertragung, wenn es nur um die tatsächliche Betreuung geht. Ein solcher Eingriff wäre unverhältnismäßig, da er einem Elternteil mehr rechtliche Macht verleiht, als für die praktische Regelung nötig ist. Die Umgangsregelung könne die Situation vollständig erfassen, ohne in das Sorgerecht einzugreifen.
Das Gericht stellte klar, dass Umgangsrecht gegenüber Sorgerecht Vorrang hat, wenn die Eltern lediglich die Betreuungsanteile unterschiedlich wünschen – auch dann, wenn kein echtes Wechselmodell besteht. Nur in Ausnahmefällen – etwa bei einem geplanten Umzug oder einer drohenden Fremdunterbringung – könne eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts gerechtfertigt sein.
Zur Begründung verwies das OLG auch auf die Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 19.1.2022 – XII ZA 12/21), wonach Änderungen eines Wechselmodells stets im Umgangsverfahren, nicht über das Aufenthaltsbestimmungsrecht, zu entscheiden sind.
Im Ergebnis entschied das OLG, dass der Vater kein Aufenthaltsbestimmungsrecht erhält und der Streit umgangsrechtlich beizulegen ist. Der Lebensmittelpunkt des Kindes kann damit über eine Regelung der Betreuungszeiten bestimmt werden, ohne in das gemeinsame Sorgerecht einzugreifen.