Archiv der Kategorie: Rechtsprechung

BFH: Verlängerte Festsetzungsfrist auch bei Steuerhinterziehung durch Miterben

Pressemitteilung des Bundesfinanzhofs Nr. 7 vom 07.02.2018

Urteil vom 29.08.2017 – VIII R 32/15

Die Festsetzungsfrist aufgrund einer Steuerhinterziehung verlängert sich bei einem Erbfall auch dann, wenn der demenzerkrankte Erblasser ausländische Kapitaleinkünfte nicht erklärt, jedoch ein Miterbe von der Verkürzung der Einkommensteuer wusste und selbst eine Steuerhinterziehung begeht. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 29. August 2017 VIII R 32/15 entschieden hat, wirkt die Verlängerung der Festsetzungsfrist auf zehn Jahre dabei auch zu Lasten des Miterben, der von der Steuerhinterziehung keine Kenntnis hat. Weiterlesen

OLG Hamm: Testamentsvollstrecker haftet nicht für unerfüllbares Verschaffungsvermächtnis

Quelle: Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Hamm vom 05.02.2018

Rechtskräftiges Urteil des 10. Zivilsenats  vom 06.04.2017 – 10 U 15/16

Ein Testamentsvollstrecker haftet nicht, wenn er aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen ein Verschaffungsvermächtnis nicht erfüllen kann. Das hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 06.04.2017 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Münster vom 06.01.2016 (Az. 12 O 164/14 LG Münster) bestätigt.

Die heute 55 Jahre alte Klägerin aus Mönchengladbach war die zweite Ehefrau des im April 2011 im Alter von 52 Jahren verstorbenen Erblassers. Dieser hatte den Beklagten aus Laer als Testamentsvollstrecker eingesetzt. Weiterlesen

BVerfG: Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die Versagung des Namens- und Personenstandswechsels nach dem Transsexuellengesetz

Quelle: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 103/17 vom 24.11.2017

Beschluss vom 17. Oktober 2017 – 1 BvR 747/17

Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde gegen die Versagung der Änderung des Vornamens und des Personenstands nach dem Transsexuellengesetz (TSG) nicht zur Entscheidung angenommen. Die beschwerdeführende Person hatte vorgetragen, es sei verfassungswidrig, dass § 4 Abs. 3 Satz 1 TSG die Einholung von zwei Sachverständigengutachten verlange.

Sachverhalt:

Die beschwerdeführende Person stellte auf Grundlage des Transsexuellengesetzes (TSG) einen Antrag auf Änderung des Vornamens (§ 1 TSG) und auf Feststellung der weiblichen Geschlechtszugehörigkeit (§ 8 TSG). Weiterlesen

BGH: Altersvorsorgevermögen aus Riester-Renten ist unpfändbar, soweit die vom Schuldner erbrachten Altersvorsorgebeiträge tatsächlich gefördert worden sind

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 180/17 vom 16.11.2017

Versäumnisurteil vom 16.11.2017 – IX ZR 21/1

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen das in einem Riester-Vertrag angesparte Vermögen pfändbar ist und daher in der Insolvenz zugunsten der Gläubiger verwertet werden kann.

Sachverhalt und Prozessverlauf:

Die Schuldnerin schloss im Jahr 2010 bei der Beklagten einen Rentenversicherungsvertrag (Riester-Rente) ab. Der Rentenversicherungsvertrag sieht ein Kündigungsrecht für die Schuldnerin vor. Nachdem die Schuldnerin Beiträge in Höhe von insgesamt 333 € gezahlt hatte, stellte die Beklagte den Versicherungsvertrag auf Antrag der Schuldnerin beitragsfrei. Am 15. April 2014 eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Der Kläger kündigte den Rentenversicherungsvertrag und verlangt von der Beklagten die Auszahlung des Rückkaufswertes.

Der Kläger meint, Weiterlesen

BVerfG: Personenstandsrecht muss weiteren positiven Geschlechtseintrag zulassen

Quelle: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 95/2017 vom 08.11.2017

Beschluss vom 10.10.2017 – 1 BvR 2019/16

Die Regelungen des Personenstandsrechts sind mit den grundgesetzlichen Anforderungen insoweit nicht vereinbar, als § 22 Abs. 3 Personenstandsgesetz (PStG) neben dem Eintrag „weiblich“ oder „männlich“ keine dritte Möglichkeit bietet, ein Geschlecht positiv eintragen zu lassen. Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) schützt auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Darüber hinaus verstößt das geltende Personenstandsrecht auch gegen das Diskriminierungsverbot (Art. 3 Abs. 3 GG), soweit die Eintragung eines anderen Geschlechts als „männlich“ oder „weiblich“ ausgeschlossen wird. Der Gesetzgeber hat bis zum 31. Dezember 2018 eine Neuregelung zu schaffen. Gerichte und Verwaltungsbehörden dürfen die betreffenden Normen nicht mehr anwenden, soweit sie für Personen, deren Geschlechtsentwicklung gegenüber einer weiblichen oder männlichen Geschlechtsentwicklung Varianten aufweist und die sich deswegen dauerhaft weder dem männlichen, noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen, eine Pflicht zur Angabe des Geschlechts begründen. Weiterlesen

BFH: Kein Kindergeldanspruch bei Bezug von Arbeitslosengeld II und Erwerbstätigkeit des anderen Elternteils im EU-Ausland – Bindungswirkung ausländischer Behördenentscheidungen

Quelle: Pressemitteilung des Bundesfinanzhofs Nr. 65 vom 25.10.2017

Urteil vom 26.07.2017 – III R 18/16

Bezieht der im Inland wohnende Elternteil nur Arbeitslosengeld II, nicht aber Arbeitslosengeld I, besteht im Inland kein Kindergeldanspruch, wenn der andere Elternteil im EU-Ausland erwerbstätig ist und dort Kindergeld erhält. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 26. Juli 2017 III R 18/16 zudem entschieden hat, kommt bei der Prüfung, ob für das Kind eine dem Kindergeld vergleichbare ausländische Leistung gewährt wird, den Entscheidungen ausländischer Behörden Bindungswirkung für die Familienkassen und die Finanzgerichte zu. Weiterlesen

FG Rheimland-Pfalz: Kindergeld kann ausnahmsweise vorrangig den Großeltern und nicht den Eltern zustehen

Pressemitteilung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 25.10.2017

Quelle: Urteil vom 29.08.2017 – 4 K 2296/15

Mit Urteil vom 29. August 2017 (4 K 2296/15) hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz entschieden, dass Großeltern für ihr Enkelkind auch dann Kindergeld erhalten können, wenn Mutter und Kind zwar aus dem gemeinsamen Haushalt mit den Großeltern ausziehen, das Kind aber tatsächlich überwiegend nach wie vor im Haushalt der Großeltern betreut und versorgt wird.
Der Kläger erhielt bis Mai 2015 für seine drei Kinder C., L. und N. und für seine Enkeltochter M. Kindergeld. Als Teil seiner Beamtenbesoldung erhielt er außerdem einen sog. „Familienzuschlag“, dessen Höhe von der Anzahl der Kinder abhängig ist, für die ein Beamter Anspruch auf Kindergeld hat. Die drei Kinder des Klägers und auch sein Enkelkind M. (die Tochter von C.) lebten in seinem Haushalt. Sowohl seine Ehefrau als auch seine Tochter C. waren mit der Zahlung an ihn einverstanden. Weiterlesen

OLG Karlsruhe: Private Krankenversicherungen dürfen die Kostenerstattung für künstliche Befruchtung nicht auf verheiratete Paare beschränken

Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 13.10.2017

Urteil vom 13.10.2017 – 12 U 107/17

Kurzbeschreibung:

Die Klägerin ist bei der Beklagten privat krankenversichert. Sie fordert die Erstattung von Maßnahmen zur In-vitro-Befruchtung. Die Klägerin kann zwar auf natürlichem Wege schwanger werden, sie leidet jedoch an einer chromosomalen Veränderung aufgrund derer die Wahrscheinlichkeit für eine intakte Schwangerschaft bzw. für ein gesundes Kind bei unter 50 Prozent liegt.

Die Beklagte übernimmt laut ihren Versicherungsbedingungen Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung aufgrund von organisch bedingter Sterilität für insgesamt drei Behandlungsversuche bei hinreichender Erfolgsaussicht. Allerdings besteht der Anspruch laut den Versicherungsbedingungen nur, wenn die versicherte Person verheiratet ist und ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden. Die Klägerin ließ vor ihrer Heirat einen Versuch zur künstlichen Befruchtung mit In-vitro-Fertilisation einschließlich von Behandlungsmaßnahmen zum Ausschluss genetischer Schädigungen durchführen. Weiterlesen

BGH: Frau-zu-Mann-Transsexueller gilt rechtlich als Mutter eines von ihm geborenen Kindes

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 148/2017 vom 25.09.2017

Beschluss vom 6. September 2017 – XII ZB 660/14

Der unter anderem für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Frau-zu-Mann-Transsexueller, der nach der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über die Änderung seiner Geschlechtszugehörigkeit ein Kind geboren hat, im Rechtssinne als Mutter des Kindes anzusehen ist.

Sachverhalt:

Der Beteiligte zu 1 ist transsexuell. Er wurde im Jahr 1982 als Kind weiblichen Geschlechts geboren; ihm wurden die weiblichen Vornamen „B.D.“ erteilt. Im November 2008 schloss der Beteiligte zu 1 die Ehe mit einem Mann. Im Jahr 2010 wurden die Vornamen des Beteiligten zu 1 durch gerichtliche Entscheidung in die männlichen Vornamen „O.G.“ geändert. Im April 2011 wurde durch eine weitere gerichtliche Entscheidung festgestellt, dass der Beteiligte zu 1 als dem männlichen Geschlecht zugehörig anzusehen ist. Die Ehe des Beteiligten zu 1 wurde im Februar 2013 rechtskräftig geschieden. Im März 2013 gebar der Beteiligte zu 1 das betroffene Kind. Er hat hierzu vorgebracht, nach Zuerkennung des männlichen Geschlechts die Hormone abgesetzt zu haben und wieder fruchtbar geworden zu sein. Das Kind sei durch eine Samenspende („Bechermethode“) entstanden; mit dem Samenspender sei vereinbart worden, dass dieser nicht rechtlicher Vater des Kindes werde. Weiterlesen

OLG Frankfurt: für strenge Prüfung der Testierfähigkeit beim Verdacht chronischer Wahnvorstellungen

Quelle: Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 19.09.2017

Beschluss vom 17.8.2017 – Az. 20 W 188/16

Setzt eine Erblasserin, die zu Lebzeiten unter Bestehlungsängsten litt und deshalb Detektive beschäftigte, diese Detektive als ihre Erben ein, ist konkret zu prüfen, ob die Erblasserin infolge krankhafter Wahnvorstellungen testierunfähig war. Dies stellte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit einem heute veröffentlichten Beschluss klar.

Die Beteiligten streiten über die Testierfähigkeit einer kinderlos und verwitwet verstorbenen Erblasserin. Die Beschwerdeführer sind entfernte Verwandte der Erblasserin und mögliche gesetzliche Erben. Die  Erblasserin setzte die mit ihr nicht verwandten Beschwerdegegner als ihre Erben ein. Ihr Testament begann mit den Worten: „Mein Testament! Ich bin im vollen Besitz meiner geistigen Kräfte. Mein letzter Wille“ und endete mit dem nicht unterschriebenen Zusatz: „Mein letzter Wille! Die Verwandtschaft soll nichts mehr erhalten.“ Weiterlesen