BFH: Die Anwendung geschlechtsspezifischer Sterbetafeln bei der Erbschaftsteuer ist verfassungsgemäß

Quelle: Urteil des Bundesfinanzhofs vom vom 20.11.2024 – II R 38/22

1. Ausgangspunkt und Streitfrage

Der BFH hatte zu entscheiden, ob die geschlechtsspezifische Anwendung von Kapitalisierungsfaktoren bei der Bewertung eines lebenslangen Nießbrauchs gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) verstößt. Hintergrund: Ein Vater schenkt seinen Kindern GmbH-Anteile unter lebenslangem Nießbrauch. Das Finanzamt ermittelt den Kapitalwert nach geschlechterspezifischen Tabellen – was zu einem niedrigeren Wert bei Männern führt.

2. BFH-Urteil vom 20.11.2024 – II R 38/22

Der BFH bestätigte die Verfassungsmäßigkeit dieser Differenzierung. Zwar liege eine Ungleichbehandlung vor, sie sei jedoch durch das Ziel einer gleichmäßigen Besteuerung sachlich gerechtfertigt. Die Typisierung nach statistischer Lebenserwartung sei geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, weil sie eine realitätsnahe Bewertung des Zuwachses an Leistungsfähigkeit ermögliche.

3. Bewertungsrechtlicher Hintergrund

  • Der Wert eines Nießbrauchs richtet sich nach dem Jahreswert der Nutzung und dessen Kapitalisierung anhand der Lebenserwartung (§§ 13–15 BewG).
  • Das BMF veröffentlicht Tabellen, die nach Geschlechtern differenzieren.
  • Dies führt dazu, dass Frauen (wegen längerer Lebenserwartung) steuerlich einen höheren Nießbrauchswert haben und somit weniger steuerpflichtiger Erwerb anfällt.

4. Begründung des BFH

  • Typisierung nach statistischer Lebenserwartung ist zulässig.
  • Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG (Diskriminierungsverbot) liegt nicht vor, weil die Regelung durch erhebliche sachliche Gründe (steuerliche Gleichbehandlung, Bewertung nach gemeinem Wert) gerechtfertigt ist.
  • Ein Mittelwert würde beide Geschlechter verzerren und zu verfassungswidriger Gleichheitswidrigkeit führen.