OLG Braunschweig: Teilweiser Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen jahrzehntelanger Trennung und wirtschaftlicher Entflechtung

Quelle: Beschluss des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 25.03.2025 – 13 UF 101/24

Leitsatz

Ein (teilweiser) Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG ist gerechtfertigt, wenn eine außergewöhnlich lange Trennungszeit ohne wirtschaftliche Verflechtung vorliegt und dadurch der Grundgedanke der Teilhabe an gemeinsam erworbenem Versorgungsvermögen seine Berechtigung verliert.


Sachverhalt:

  • Ehe seit dem 17.12.1984, Trennung seit dem 01.09.1995, also 28 Jahre Trennungszeit vor Scheidung.
  • Beide Ehegatten wirtschaftlich völlig entflechtet seit der Trennung.
  • Scheidungsantrag: 25.01.2024; Entscheidung AG: 28.05.2024 – Versorgungsausgleich über die volle Ehezeit (39 Jahre).
  • Antragsgegnerin rügt, dass dies grob unbillig sei – begehrt zeitliche Begrenzung des Ausgleichs bis 31.12.1997, also drei Jahre nach Trennung.
  • Antragsteller erhebt keine Einwände gegen das Begehren.

Rechtliche Bewertung des OLG:

1. Maßstab: § 27 VersAusglG – Härteklausel

  • § 27 VersAusglG ermöglicht ausnahmsweise einen Ausschluss/Beschränkung des Ausgleichs, wenn dessen Durchführung grob unbillig wäre.
  • Maßgeblich ist, ob der Versorgungsausgleich noch eine gerechte Beteiligung an gemeinsamen Versorgungswerten darstellt oder zur sachlich nicht gerechtfertigten „Belohnung“ führt.
  • Voraussetzung: Darlegungslast liegt bei der antragstellenden Partei.

2. Anwendung auf den Fall:

  • Trennungszeit (28 Jahre) übersteigt die Zeit des ehelichen Zusammenlebens erheblich.
  • Keine wirtschaftliche Verflechtung über den gesamten Trennungszeitraum.
  • Ehe bestand faktisch nicht mehr als Versorgungsgemeinschaft.
  • Der Antrag auf zeitliche Begrenzung des Ausgleichs bis 1997 (drei Jahre nach Trennung) ist gerechtfertigt:
    • Das ist der Zeitpunkt, ab dem rechtlich die Scheidung erstmals hätte beantragt werden können.
    • Es kommt nicht darauf an, ob eine frühere Antragstellung unterblieben ist.

3. Versorgungsausgleich – angepasst auf verkürzte Ehezeit:

  • Nur Anrechte, die bis 31.12.1997 erworben wurden, werden intern geteilt:
    • Antragsteller: 8,8893 Entgeltpunkte (D.)
    • Antragsgegnerin: 7,4118 Entgeltpunkte (D.), 3,16 Versorgungspunkte (V.)
  • Übrige Anrechte bleiben außen vor – Versorgungsausgleich insoweit ausgeschlossen.
  • Eine Bagatellprüfung nach § 18 VersAusglG war nicht anwendbar, da die Anrechte die Bagatellgrenze überschreiten.

Ergebnis:

  • Beschwerde der Antragsgegnerin erfolgreich.
  • Versorgungsausgleich zeitlich beschränkt bis Ende 1997.
  • Gericht hebt amtsgerichtliche Entscheidung insoweit auf und passt sie an.
  • Kosten gegeneinander aufgehoben, Beschwerdewert: 5.518 €
  • Keine Zulassung der Rechtsbeschwerde.