Quelle: Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 19.08.2025 – 17 UF 52/25
Sachverhalt:
Die getrenntlebenden Eltern dreier Kinder praktizierten für zwei Söhne zeitweise ein Wechselmodell, während die Tochter dauerhaft bei der Mutter lebte. Die Mutter bezog das gesamte Kindergeld. Der Vater verlangte von ihr die Auszahlung eines Viertels des Kindergeldes für die im Wechselmodell betreuten Kinder. Er hatte die Mutter am 31.3.2020 zur Auskunft über ihr Einkommen im Hinblick auf künftigen Kindesunterhalt aufgefordert. Das Familiengericht wies den Antrag ab, das OLG gab ihm weitgehend statt.
Entscheidung:
Das OLG Celle verpflichtete die Mutter, an den Vater 1.736 € zu zahlen. Der nicht kindergeldbeziehende Elternteil kann im Wechselmodell ein Viertel des Kindergeldes auch ohne konkreten Vortrag zu einem Unterhaltsanspruch des Kindes vom anderen Elternteil verlangen.
Begründung:
Kindergeldausgleich im Wechselmodell:
Im echten Wechselmodell (annähernd hälftige Betreuung) steht jedem Elternteil grundsätzlich die Hälfte des Kindergeldes zu. Erhält ein Elternteil das gesamte Kindergeld, kann der andere den ihm zustehenden Anteil einklagen. Der Ausgleichsanspruch besteht unabhängig davon, ob ein Unterhaltsanspruch des Kindes geltend gemacht wird. Auch Sonderzahlungen wie pandemiebedingte Kinderboni sind unterhaltsrechtlich wie Kindergeld zu behandeln.
Familienrechtlicher Ausgleichsanspruch:
Dieser Anspruch ist nicht subsidiär, soweit es um den auf die Betreuung entfallenden Kindergeldanteil geht – also den Teil, der dem Elternteil selbst zusteht und nicht dem Kind.
Zeitliche Begrenzung (§ 1613 Abs. 1 BGB):
Der Ausgleich kann rückwirkend erst ab dem Monat verlangt werden, in dem der Anspruch rechtshängig geworden, der andere Elternteil in Verzug geraten oder zur Auskunft über seine Einkünfte aufgefordert wurde. Hier begann die Verpflichtung ab April 2020, da der Vater am 31.3.2020 eine Auskunftsanfrage gestellt hatte.
Ausreichende Auskunftsaufforderung:
Eine bloße Aufforderung zur Einkommensauskunft nach § 1605 Abs. 1 BGB genügt, um die rückwirkende Verpflichtung auszulösen. Es ist nicht erforderlich, dass der Unterhaltsanspruch bereits konkret beziffert wird. Die Auskunft dient der Vorbereitung der Unterhaltsberechnung – das genügt.
Aufrechnung ausgeschlossen:
Eine Aufrechnung der Mutter mit angeblichen Aufwendungen für die Kinder scheiterte, da keine Aufrechnungslage bestand. Im Wechselmodell werden solche Einzelaufwendungen nicht gesondert erstattet, weil beide Eltern anteilig unterhaltspflichtig sind.
Rechtsbeschwerde zugelassen:
Der Senat ließ die Rechtsbeschwerde zum BGH zu, da höchstrichterlich noch ungeklärt ist, unter welchen Voraussetzungen rückständiger Kindesunterhalt oder Kindergeldausgleich im Wechselmodell geltend gemacht werden kann, wenn die Eltern nicht vertretungsberechtigt füreinander handeln.
Ergebnis:
Im Wechselmodell hat der Elternteil, der das Kindergeld nicht erhält, Anspruch auf ein Viertel des Kindergeldes pro Kind, auch ohne konkreten Vortrag zu Unterhaltsansprüchen. Dieser Anspruch gilt rückwirkend ab dem Monat, in dem der andere Elternteil zur Auskunft über seine Einkünfte aufgefordert wurde.