Archiv der Kategorie: Rechtsprechung

OLG Frankfurt a.M.: Scheidungsverfahren – Getrenntleben der Eheleute trotz gemeinsamer Wohnung

Quelle: Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main Nr. 19/2024 vom 15.04.2024 – Beschluss vom 28.03.2024 – 1 UF 160/23

Die Eheleute streiten um den Zeitpunkt der wechselseitigen Auskunftsverpflichtung zum Trennungsvermögen im Rahmen ihres Scheidungsverfahrens. Wenn die Scheidung beantragt ist, kann jeder Ehegatte von dem anderen Auskunft über das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung verlangen (§ 1379 BGB). Dieser Auskunftsanspruch soll den Schutz des ausgleichsberechtigten Ehegatten vor – für die Berechnung eines etwaigen Zugewinnanspruchs relevanten – Vermögensmanipulationen in der Trennungszeit verbessern. 

Die Annahme der Trennung der Eheleute erfordert ein der räumlichen Situation entsprechendes Höchstmaß der Trennung. Verbleibende Gemeinsamkeiten in Form gemeinsamer Mahlzeiten, der Vornahme von Erledigungen und Einkäufen für den anderen stehen der Trennung nicht entgegen, wenn sie sich als unwesentlich darstellen. Dies gilt auch für einen freundschaftlichen, anständigen und vernünftigen Umgang der Ehegatten miteinander, insbesondere, wenn gemeinsame Kinder im Haushalt leben. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit heute veröffentlichter Entscheidung der Beschwerde der Ehefrau auf Feststellung eines früheren Trennungszeitpunkts Recht gegeben.

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OLG Frankfurt a.M.: Datin-Plattform – Zweifel an der Vaterschaft

Quelle: Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main Nr. 18/2024 vom 09.04.2024 – Beschluss vom 01.02.2024 – 1 UF 75/22

Ein Kennenlernen über eine Dating-Plattform allein begründet keine schwerwiegenden Zweifel gegen die gesetzliche Vaterschaftsvermutung wegen Verdachts des Mehrverkehrs.

Bei der Feststellung, ob schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft vorliegen, reicht ein nur möglicher, aber weder wahrscheinlicher noch bewiesener Mehrverkehr nicht aus. Insbesondere aus der Tatsache, dass sich die Mutter des Kindes und der Putativvater über ein Internetportal kennengelernt haben, drängt sich nicht auf, dass die Mutter in der Empfängniszeit mit Anderen geschlechtlich verkehrt hat. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit heute veröffentlichte Entscheidung die Beschwerde des (Putativ)Vaters gegen den seine Vaterschaft feststellenden Beschluss des Amtsgerichts zurückgewiesen.

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BVerfG: Gesetzliche Regelungen über die Vaterschaftsanfechtung durch leibliche Väter sind mit dem Elterngrundrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) unvereinbar

Quelle: Pressemitteilung Nr. 35/2024 vom 09.04.2024 – Urteil vom 09.04.2024 – 1 BvR 2017/21

Mit heute verkündetem Urteil hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die gesetzliche Regelung über das Recht des leiblichen Vaters, die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes für sein Kind anzufechten, mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Sie trägt dem Elterngrundrecht leiblicher Väter nicht hinreichend Rechnung. Diese gehören zu den Eltern im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) und können sich auf das Elterngrundrecht ebenso wie die rechtlichen Eltern des Kindes berufen.

Das Elterngrundrecht bedarf einer Ausgestaltung durch den Gesetzgeber. Er kann dabei — abweichend vom bisherigen Recht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) — die rechtliche Elternschaft des leiblichen Vaters neben der Mutter und dem rechtlichen Vater vorsehen. Hält er dagegen an einer Beschränkung der rechtlichen Elternschaft auf zwei Elternteile fest, muss zugunsten des leiblichen Vaters ein hinreichend effektives Verfahren zur Verfügung stehen, das ihm ermöglicht, anstelle des bisherigen rechtlichen Vaters selbst rechtlicher Vater seines Kindes zu werden. Letzterem genügt das bisherige Recht vor allem deshalb nicht, weil es nicht erlaubt, eine bestehende oder vormalige sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem leiblichen Vater sowie dessen bisherige Bemühungen um die rechtliche Vaterschaft zu berücksichtigen.

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BFH: Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrags

Quelle: Pressemitteilung des Bundesfinanzhofs Nr. 016/24 vom 21.03.2024 – Urteil vom 07.11.2023 – VIII R7/21

Der Bezug eines Nutzungsersatzes im Rahmen der reinen Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrags nach Widerruf löst keine Einkommensteuer aus. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 07.11.2023 – VIII R 7/21 entschieden.

Die miteinander verheirateten Ehegatten schlossen im Jahr 2008 einen Darlehensvertrag zur Finanzierung einer selbstgenutzten Wohnimmobilie ab. Im Jahr 2016 widerriefen sie den Darlehensvertrag unter Berufung auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung. Auf der Grundlage eines zivilgerichtlichen Vergleichs zahlte die Bank an die Eheleute Nutzungsersatz für bis zum Widerruf erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 14.500 €. Das Finanzamt erfasste den Nutzungsersatz als Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Dem ist der BFH entgegengetreten. Der Nutzungsersatz sei kein steuerbarer Kapitalertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Rückabwicklung eines vom Darlehensnehmer widerrufenen Darlehensvertrags (vor Anwendbarkeit des § 357a Abs. 3 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs –BGB– a.F.; jetzt § 357b BGB) vollziehe sich außerhalb der steuerbaren Erwerbssphäre. Das Rückgewährschuldverhältnis sei ertragsteuerlich als Einheit zu behandeln, weshalb die einzelnen Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis auch nicht für sich betrachtet –im Sinne einer unfreiwilligen Kapitalüberlassung– Teil einer steuerbaren erwerbsgerichteten Tätigkeit sein könnten. Es lägen auch keine sonstigen Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG vor. Dem stehe entgegen, dass die bei der gebotenen Einheitsbetrachtung aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrags vereinnahmten Einzelleistungen nicht in der Erwerbssphäre angefallen seien.

OLG Oldenburg: Erbeinsetzung auf einem Kneipenblock

Quelle: Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Oldenburg Nr. 10/2024 vom 13.03.2024 – Urteil vom 13.03.2024 – 3 W 96/2023

Dass ein Testament nicht zwingend auf einem weißen Blatt Papier entstehen muss, zeigt ein Fall des 3. Zivilsenates. Verstorben war ein Gastwirt aus Landkreis Ammerland. Seine Partnerin sah sich als Erbin und beantragte die Erteilung eines Erbscheins. Als Testament legte sie dem Gericht einen Kneipenblock vor, den sie im Gastraum hinter der Theke aufgefunden habe. Dort war unter Angabe des Datums und einer Unterschrift auch der Spitzname einer Person (hier „X“ genannt) vermerkt. Auf dem Zettel hieß es lediglich „X bekommt alles“.

Das Amtsgericht Westerstede sah die Partnerin nicht als Erbin an. Es war der Auffassung, dass nicht sicher feststellbar sei, dass mit dem Kneipenblock ein Testament errichtet werden sollte. Daher fehle der für ein Testament erforderliche Testierwille.

Der auf das Erbrecht spezialisierte Senat des Oberlandesgerichts gelangte zu einer anderen Bewertung. Der handschriftliche Text auf dem Zettel sei ein wirksames Testament. Der Senat war aufgrund der Einzelheiten des Verfahrens überzeugt, dass der Erblasser das Schriftstück selbst verfasst hatte und dass er mit dem genannten Spitznamen allein seine Partnerin gemeint habe. Auch dass der Erblasser mit der handschriftlichen Notiz seinen Nachlass verbindlich regeln wollte, stand für den Senat aufgrund von Zeugenangaben fest. Dass sich die Notiz auf einer ungewöhnlichen Unterlage befinde, nicht als Testament bezeichnet und zudem hinter der Theke gelagert war, stehe der Einordnung als Testament nicht entgegen. Zum einen sei es eine Eigenart des Erblassers gewesen, für ihn wichtige Dokumente hinter dem Tresen zu lagern. Zum anderen reiche es für die Annahme eines Testaments aus, dass der Testierwille des Erblassers eindeutig zu ermitteln sei und die vom ihm erstellte Notiz seine Unterschrift trage. Der Senat stellte die Partnerin daher als rechtmäßige Erbin fest.

Zum Hintergrund:

Die Anforderungen an ein Testament sind in § 2247 des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt, der folgenden Wortlaut hat:

§ 2247 Eigenhändiges Testament

(1) Der Erblasser kann ein Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten.

(2) Der Erblasser soll in der Erklärung angeben, zu welcher Zeit (Tag, Monat und Jahr) und an welchem Ort er sie niedergeschrieben hat.

(3) Die Unterschrift soll den Vornamen und den Familiennamen des Erblassers enthalten. Unterschreibt der Erblasser in anderer Weise und reicht diese Unterzeichnung zur Feststellung der Urheberschaft des Erblassers und der Ernstlichkeit seiner Erklärung aus, so steht eine solche Unterzeichnung der Gültigkeit des Testaments nicht entgegen.

(4) …

(5) …

BFH: Anspruchsvorrang des am Monatsanfang Kindergeldberechtigten

Quelle: Pressemitteilung Nr. 013/24 vom 07.03.2024 – Urteil vom 18.01.2024 – III R 5/23

Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 18.01.2024 – III R 5/23 entschieden hat, bestimmt sich die Frage, welcher von mehreren in demselben Monat kindergeldberechtigten Personen der vorrangige Anspruch zusteht, danach, wer zu Beginn des fraglichen Monats die Voraussetzungen einer vorrangigen Kindergeldberechtigung erfüllt.

Der Kläger und sein Lebenspartner nahmen am 07.12.2020 das im November 2020 von einer obdachlosen Mutter zur Welt gebrachte Kind in ihren Haushalt auf und wurden dadurch zu dessen Pflegeeltern. In ihrem Verhältnis zueinander bestimmten die Pflegeeltern den Kläger zum Berechtigten. Die Familienkasse gewährte ihm das Kindergeld ab Januar 2021, lehnte es jedoch für die Monate November und Dezember 2020 ab. Infolgedessen versagte die Familienkasse dem Kläger auch den Kinderbonus für das Jahr 2020. Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah die Klage im Hinblick auf das Kindergeld für den Monat Dezember 2020 und ebenso im Hinblick auf den Kinderbonus 2020 als begründet an. Diese Auffassung teilte der BFH nicht und hob deshalb das Urteil des FG auf, soweit es der Klage stattgegeben hatte.

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OVG Berlin-Brandenburg: Pflicht zur Vorlage eines Masernimmunitätsnachweises für schulpflichtige Kinder

Quelle: Pressemitteilung des Oberverwaltungsgerichts Nr. 9/24 vom 01.03.2024 – Beschlüsse vom 28.02.2024 – OVG 1 S 80/23 u.a.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat in mehreren Eilverfahren die Beschwerden von Eltern schulpflichtiger Kinder gegen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin zurückgewiesen, wonach Gesundheitsämter für den Schulbesuch den Nachweis einer Impfung oder Immunität gegen Masern fordern dürfen, sofern keine Kontraindikation besteht. Für den Fall, dass der Nachweis nicht vorgelegt wird, kann auch ein Zwangsgeld angedroht werden (vgl. VG-Pressemitteilung Nr. 39/2023 v. 25.9.2023).

Zur Begründung hat der 1. Senat u.a. ausgeführt, die Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes zur Nachweispflicht seien angesichts der hochansteckenden Viruskrankheit mit möglicherweise schwerwiegenden Komplikationen nicht offenkundig verfassungswidrig. Zwar greife die Nachweispflicht in das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes ein. Die Regelung sei aber verhältnismäßig, weil sie – wie das Bundesverfassungsgericht bereits zur Nachweispflicht bei noch nicht schulpflichtigen Kindern entschieden habe (Beschluss v. 21.7.2022 – 1 BvR 469/20 u.a. -) einen legitimen Zweck verfolge und nicht außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stehe. Der Gesetzgeber des Masernschutzgesetzes sei von einer grundsätzlich bestehenden „Impfpflicht“ bzw. „verpflichtenden Impfung“ ausgegangen. Er habe lediglich von deren Durchsetzung im Wege des unmittelbaren Zwangs abgesehen. Andere Zwangsmittel wie Zwangsgeld und Geldbuße seien hingegen vorgesehen, um eine tatsächliche Erhöhung der Impfquote in Schulen und sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen – und damit letztlich in der gesamten Bevölkerung – zu erreichen.

Die Beschlüsse sind unanfechtbar.

BFH: Kein Werbungskostenabzug für Prozesskosten zur Erlangung nachehelichen Unterhalts

Quelle: Pressemitteilung Nr. 012/2024 des Bundesfinanzhofs vom 29.02.2024 – Urteil vom 18.10.2023

Prozesskosten zur Erlangung eines (höheren) nachehelichen Unterhalts sind bei der Einkommensbesteuerung nicht als Werbungskosten abziehbar, auch wenn der Unterhaltsempfänger die Unterhaltszahlungen im Rahmen des sog. Realsplittings versteuern muss. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 18.10.2023 X R 7/20 entschieden.

Die Ehe der Klägerin wurde im Jahr 2014 geschieden und ihr früherer Ehemann (B) verpflichtet, ab Rechtskraft der Scheidung nachehelichen Unterhalt in Höhe von 582,50 € monatlich zu zahlen. Das von der Klägerin angestrengte Gerichtsverfahren endete vor dem Oberlandesgericht mit einem Vergleich, in welchem sich B zur Zahlung eines höheren nachehelichen Unterhalts von monatlich 900 € bereit erklärte. Die Verfahrenskosten wurden gegeneinander aufgehoben. Die Klägerin entrichtete Gerichts- und Anwaltskosten im Jahre 2015.

Das Finanzamt erfasste bei der Klägerin die erhaltenen Unterhaltsleistungen als steuerpflichtige sonstige Einkünfte; die von ihr getragenen Anwalts- und Gerichtskosten ließ es nicht zum Abzug zu. Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen gerichteten Klage mit der Begründung statt, dass die Klägerin ohne diese Aufwendungen später keine Unterhaltseinkünfte hätte erzielen können. Daher stellten sie einkommensteuerrechtlich vorweggenommene Werbungskosten dar.

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BGH: Unzulässigkeit von Vertragsstrafen und vertragsstrafenähnlichen Klauseln zur Durchsetzung einer elterlichen Umgangsvereinbarung

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 036/2024 vom 27.02.2024 – Beschluss vom 31.01.2024 – XII ZB 385/23

Der unter anderem für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass eine Elternvereinbarung zum persönlichen Umgang mit dem Kind nicht unter Umgehung einer gerichtlichen Kindeswohlkontrolle durch Vereinbarung einer Vertragsstrafe oder einer vertragsstrafenähnlichen Klausel erzwingbar gemacht werden kann.

Sachverhalt:

Die Antragstellerin ist peruanische Staatsgehörige. Aus ihrer 2002 geschlossenen Ehe mit dem Antragsgegner, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, sind eine 2007 geborene Tochter und ein 2012 geborener Sohn hervorgegangen. Der letzte gemeinsame Aufenthalt der Ehegatten war in Deutschland, wo der Antragsgegner weiterhin lebt und arbeitet. Die Antragstellerin siedelte 2011 unter zwischen den Beteiligten streitigen Umständen mit der Tochter nach Peru über, wo im Folgejahr auch der Sohn geboren wurde. Seitdem sie Deutschland verlassen hatte, ließ sie einen persönlichen Umgang des Antragsgegners mit den gemeinsamen Kindern nur dann zu, wenn sich dieser besuchsweise in Peru aufhielt. Die Ehe der Beteiligten wurde 2017 rechtskräftig geschieden. Die Antragstellerin macht im vorliegenden Verfahren güterrechtliche Ansprüche geltend.

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BFH: Erbschaftsteuer bei Berliner Testament

Quelle: Pressemitteilung des Bundesfinanzhofs Nr. 011/24 vom 27.02.2024 – Urteil vom 11.10.2023 – II R 34/20

Setzen Ehegatten in einem sog. Berliner Testament ein erst später fälliges Vermächtnis für die Kinder aus, die beim Tod des Erstverstorbenen ihren Pflichtteil nicht fordern (sog. Jastrowsche Klausel), kann der überlebende Ehegatte als Erbe des erstversterbenden Ehegatten die Vermächtnisverbindlichkeit nicht als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen, da das Vermächtnis noch nicht fällig ist. Das berechtigte Kind hat den Erwerb des betagten Vermächtnisses bei dem Tod des länger lebenden Ehegatten zu versteuern. Ist das Kind aufgrund der Anordnung des Berliner Testaments auch Schlusserbe nach dem länger lebenden Ehegatten geworden, kann es bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs von dem überlebenden Ehegatten die dann fällig gewordene Vermächtnisverbindlichkeit als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 11.10.2023– II R 34/20 entschieden.

Im Streitfall errichteten die Eltern der Klägerin zunächst ein sogenanntes Berliner Testament. Mit diesem in der Praxis häufig vorkommenden Testament setzten sich die Eltern gegenseitig zu Alleinerben ein, wobei der überlebende Ehegatte über den Nachlass und sein eigenes Vermögen frei verfügen konnte. Als Erben des überlebenden Ehegatten setzten die Eheleute die Klägerin und drei ihrer Schwestern ein. Ein Bruder und eine weitere Schwester wurden enterbt. Überdies enthielt das Testament eine sog. Jastrowsche Klausel. Diese regelte, dass für den Fall, dass eines der Kinder nach dem Tod des zuerst sterbenden Elternteils den Pflichtteil verlangt, dieses Kind auch vom Nachlass des zuletzt sterbenden Elternteils nur den Pflichtteil erhalten soll. Diejenigen Erben, die den Pflichtteil beim Tod des Erstverstorbenen nicht fordern, sollten bei Tod des länger lebenden Ehegatten aus dem Nachlass des Erstverstorbenen ein erst beim Tod des länger lebenden Ehegatten fälliges Vermächtnis in Höhe des Pflichtteils erhalten.

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